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quälten und ängstigten ihn so, daß er eilends vom Pferde
stieg und auf seinen Knieen Gott anrief, er möchte ihm
aushelfen. Denn er konnte mit seinen Panzerhandschuhen
weder den Helm herunter, noch das Visir aufbringen und
mußte warten, bis Leute herbeikamen und ihn erlöseten.
20. Feuriges Wasser.
Was nicht dein ist, Kind, das rühr' nicht an, denn es
brennt, und einmal hat es einem Knaben sogar das Herz abge¬
brannt, weil er demselben sein unrechtmäßiges Verlangen stetS
allzudienstfertig gestillt hat. Der nahm, wie eine Elfter, Al¬
les, was ihm gefiel, heimlich hinweg, obgleich er wußte, daß
eS eine Sünde ist, die einem in manchem Lande das Quartier
in der Luft zwischen Erde und Himmel anweist, oder wenig¬
stens ein feurig Mal auf den Rücken brennt, daß, wenn er
das Wamms auszieht, alle Welt lesen kann, wcß Geistes
Kind der Gebrannte ist. Diesmal aber hat das kalte Wasser
die Feuerstclle vertreten und jenem Jungen ein Mal auf die
Brust gebrannt, daß ihm der Athem böser Begierden gleich
ausging. Einmal stahl er nämlich ein Paar Steine unge¬
löschten Kalkes und versteckte sie in seinem Busen. Gleich
darauf begegnete ihm ein Kamerad, der zwei Pferde in die
Schwemme ritt, und — hast du nicht gesehn! saß unser
Diebsjunge oben auf dem andern Pferde, und nun ging's
in vollem Jagen nach der Schwemme. Mitten im Wasser
" aber fiel's dem Pferde ein, sich zu legen, und Spitzbübchen
fiel herunter. Weil er aber schwimmen konnte, so schwamm
er eine gute Strecke fort. Auf einmal aber fing er an jäm¬
merlich zu schreien: Helft, helft, ich verbrenne! — Aber die
Leute, die ihn schwimmen sahen, meinten, er habe sie zum
Besten, dieweil ja kaltes Wasser nicht brenne. Der Junge
sank ein paar Mal unter und kam ein paar Mal wieder herauf,
einmal mit dem Kopfe, das andre Mal mit den Beinen und
das dritte Mal ganz, aber auch ganz — todt. Der bren¬
nend gewordene Kalk hatte durch die Haut bis in's Jnn're
gefressen. — Gelt, Kind, was nicht dein ist, das rühr' nicht
an, denn es brennt — zum wenigsten auf dem Gewissen.
t Dittmar: Waizenkörner.
21. Vom Wolf und Lämmlein.
Ein Wolf und Lämmlein kamen ohngefähr beide an den¬
selben Bach, zu trinken; der Wolf trank oben am Bach, das
Lämmlein aber fern unten. Da der Wolf des Lämmleins ge-