342
Die Lang öhrin, als sie nun ganz herrenlos geworden
war, senkte zwar ihr sorgenschweres Haupt noch etwas
tiefer, wich aber keinen Schritt von der Stelle, so viel auch
der Unbilden waren, die sie auf dem schmalen Hochpflaster,
wo sie stand, zu erfahren hatte. Die Hiebe, die ihr die
Spaziergänger, unwillig darüber, daß sie ihr ausweichen
mußten, im Vorübergehen verabreichten, nahm sie ruhig .
hin und sprach nur bei sich selbst: „Der William klopft
mir ohnedies das Jahr über meinen grauen Rock zu wenig
aus." Aber eine Magd aus der Nachbarschaft, die sie über
das Hochpflaster hinunterschieben wollte, kleminte sie an das
Haus, daß dieselbe schrie und froh war, als sie zwischen
der Wand und dem Rücken des Lastthiers wieder hervor-
durfte. Und mit den zwei kleinen Schornsteinkehrern, die
sie bei den Ohren nahmen und fortziehen wollten, wurde
sie auch schneller fertig, denn es ihre Widersacher gedachten.
Sie schüttelte ein Wenig mit dem Kopse, und die zwei
Jungen fielen rechts und links von ihr ab, wie ein Apfel¬
baum seine Aepfel abwirft, wenn er vom großen Winde
bewegt wird. — Endlich nach einer Stunde oder darüber
kam William aus dem großen Hause mit den hohen Fen¬
stern wieder zurück, und sagte zu seiner Eselin, indem er
sich mit ihr vollends aus der Stadt hinauszog, wohl auch
dazwischen stehen blieb: „Gelt, Jenny, ich bin dir zu lange
ausgeblieben? Aber es hat nicht anders sein können. Ein
Mann in dem großen Hause, der weit über das Meer
hergekommen ist, erzählte von den Heiden. Er hat eS mit
eigenen Augen gesehen, wie die bösen Mütter ihre Kinder
in die Erde vergraben, oder im Feuer verbrennen, oder im
Wasser ersäufen, oder den Crocodillen vorwerfen, welche sie
mitten entzwei beißen und verschlucken, wie unsere Schwarze
daheim eine Maus. In großen Städten, sagte er, sieht
man allenthalben winselnde Kinder liegen, die man vor die
Häuser herausgeworfen hat, wie bei uns junge Katzen, die
man nicht aufziehen will. Und den alten Leuten geht eS
nicht besser. Wenn sie schwach werden und keinen Taug
mehr geben, nimmt sie der Sohn und gibt ihnen einen
Schlag vor den Kopf oder scharrt sie bei lebendigem Leibe
ein. Aber die Stechmücken und Flöhe und anderes Unge¬
ziefer tasten sie nicht an, damit sie den Vater derselben, den
Teufel, nicht beleidigen. Denn den lieben Gott kennen sie
nicht, so fürchten sie den Bösen über Alles und beten ihn an."