Full text: Neuer christlicher Kinderfreund

sie vor diesen aufs Meer und setzten im Jahre 429 nach der korn¬ 
reichen Provinz Afrika über. Heerkönig der Vandalen war damals 
der junge Geiferich, d. h. Speerfürst. Wortkarg und mäßig, 
aber habgierig und grausam gegen feine Feinde, war der hinkende 
Kriegsmann einer der gewaltigsten Häuptlinge feiner Zeit. Er er¬ 
oberte mit leichter Mühe das reich entwickelte Land und gründete 
dann ein neues Reich mit der Hauptstadt Karthago. Seine 
Vandalen bauten eine Flotte und hausten bald als gefürchtete See¬ 
räuber auf dem Mittelmeere bis nach Kreta. 
§ 7. Die zweite Plünderung Roms. Es war kurz nach dem 
Tode Attilas, als Geiferich mit feinen Raubfcharen vor den verfallenen 
Mauern Roms erschien. Vierzehn Tage lang wurde die wehrlose 
Stadt geplündert; was die Goten verschont hatten, fiel den r r 
Vandalen anheim. Reiche Beute an Gold, Silber und Kunst- 
werken, darunter der Tempelschatz von Jerusalem aus den Tagen 
des Titus, wanderte auf die Schiffe. Doch hat man den Vandalen 
ungerechterweife eine sinnlose Zerstörungswut zugeschrieben, die 
noch heute als „Vandalismus" bezeichnet wird?) 
§ 8. „Hengist und Horsa." In der Zeit, als die Drachenfchiffe 
der Vandalen das Mittelmeer befuhren, zogen andere Germanen¬ 
stämme auf schwanken Boten über die Fluten der Nordsee nach 
Britannien. Längst hatten die römischen Legionen das Insel- 
land verlassen, und die Einfälle der wilden Skoten aus den schottischen 
Bergen suchten die schutzlosen Bewohner heim. Da riefen diefe die 
germanischen Angeln und Sachsen aus Jütland zu Hilfe, und 
nach kühner Meerfahrt landeten die Nordlandföhne an der britan¬ 
nischen Küste. Es war um das Jahr 450. 
Anführer waren, wie bie Sage berichtet, die beiben Brüber 
Heng ist (Hengst) unb Horfa (Roß); bie Namen, die vielleicht 
auch nur ihre Schiffe bezeichneten, deuten auf die Schätzung des 
Pferdes. Die Ankömmlinge setzten sich im Lande selber fest, und 
immer mehr Volksgenossen von den Mündungen der Weser und Elbe 
rückten ihnen nach. Ein Teil der Einwohner Britanniens entwich 
nach der gegenüberliegenden Halbinsel von Gallien, die nach ihnen 
noch den Namen Bretagne führt. Die Angeln und Sachsen aber 
gründeten in Britannien im Laufe der Zeit sieben kleine Reiche, die 
später zu dem Königreiche England, d. h. Angelland, verschmol¬ 
zen. Ihre Nachkommen, die heutigen Engländer, haben in der Ab- 
gefchloffenheit vom Festlande germanische Einrichtungen noch vielfach 
bewahrt. 
x) Gedicht: Kaufmann, „Der Vandalen Auszug."
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.