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Tonlesekunst. 
Heinr. Sie in einen Käfich stecken: 
Wilh. Und darin verhungern lassen? 
Heinr. Warum nicht gar? Können wir sse nicht vor unser Fen¬ 
ster hängen, daß die Alren sie groß füttern? 
Wilh. Werden sie das auch thun? 
Heinr. Warum nicht? Der Baum ist ja nahe genug an unserm 
Hause. — Kannst du dir was Lustigeres denken, als die jungen 
Vögelchen so flattern, zwitschern und das Maul aufsperren zu sehen, 
wenn die Alten mit Futter kommen? 
Wilh. Und so etwas macht dir Vergnügen? 
Heinr. Warum nicht? 
Wilh. Würd' es uns wohl auch Vergnügen machen, wenn wir 
in einem Gefängnisse steckten, und unsre jammernden Eltern müßten 
uns durch ein Gitter das Brot reichen? 
Heinr. Sind wir denn Vögel? 
Wilh. Wenigstens keine befiederten. — Aber hast du denn das 
Sprüchelchen: „Auch ein Thier empfindet Schmerz; quäl' es nicht, 
o menschlich Herz!" ganz vergessen? 
Heinr. Will ich sie denn quälen? am Fadm berumschleppen? bei 
lebendigem Leibe rupfen? oder verhungern laßen? 
Wilh. Glaubst du denn nicht, daß schon die Gefangenschaft und 
Trennung von ihren Eltern Qual genug für ste ist? Rührt, es dich 
nicht, wenn die Alten so ängstlich um das Gitter herumfliegen und 
locken? wenn ihre Jungen ihnen so sehnlich entgegen flattern? wenn 
die treuen Alten am Käfiche sich anklammern und ihre armen Kinder¬ 
chen durch's Gitter zu küssen scheinen, indem sie ihnen Futter bringen? 
— Bruder! bist du wirklich so hartherzig? 
Heinr. Still! still! Wer könnt' einer so rührenden Warnung 
widerstehn? Nein! nein! lebet ruhig mit euern Eltern, ihr jungen 
Vögelchen, und wenn ihr groß seid, so finget uns ein Liedchen vom 
Baume herab! Weißt du aber auch, Bruder Wilhelm, wem das 
Liedchen dann gelten wird? mir oder dir? 
II. Der ausrufende Ton in verschiedenen Gemüths¬ 
bewegungen. 
3. Der Weihnachtsabend. 
(Ausruf der Bewunderung und Freude.) 
(Die Kinder, in ein Nebenzimmer so lange verwiesen, bis die Bescherungen 
für sie ausgelegt sind, hören mit dem Mörser klingeln.) 
Alle zugleich: Es klingelt! Es klingelt! 
(Sie springen mit Jubel in das erleuchtete Zimmer.) 
Gust. (Auf sein Geschenkzueilend) Ach allerliebst! wie schön! wie 
prächtig! (Dem Vater und der Mutter um den Hals fallend) Dank! tausend
	        
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