Achte Abtheilung
Deutsche Sprach- und Stpllehre *).
Einleitung.
8. 1. dadurch, daß der Mensch eine Seele hat, lebt und
empfindet er (s. Seite 100); dadurch, daß er einen Geist hat,
denkt er. Was er aber denkt, vermag er vermittelst der Stimme zu
äußern und so mitzutheilen, er spricht. Dieses Vermögen, zu spre¬
chen, nennt man seine Sprache. Wie er nun diese, nachdem sie
sich einmal bei einem Volke ausgebildet hat, richtig anwendet, lehrt
die Sprachlehre.
8. 2. Die Erde ist von vielen Völkern bewohnt. Jedes hat seine
eigenthümliche Sprache. In ihr drückt sich sein Wesen und seine Bil¬
dung ab. Die Sprache unseres Volkes ist die deutsche. Aber jede
Völkerschaft unseres großen deutschen Vaterlandes, ja jede Gegend
spricht ihr eigenes Deutsch, und so kommt es, daß es, so weit die
deutsche Zunge klingt, viele deutsche Mundarten gibt. Diese alle
scheiden sich, gleichwie Deutschland durch Gebirge in zwei große Hälf¬
ten, nämlich m Süd- oder Ober- und Nord- oder Niederdeutsch¬
land, abgetheilt ist, in die oberdeutsche und die nieder- oder
plattdeutsche Sprache. Den Uebergang zwischen beiden bildet das
Mitteldeutsche (Schlesien, Lausitz, Sachsen, Thüringen, Harz,
Nordfranken, Hessen); hier mischen sie sich, doch wiegt großentheils die
oberdeutsche Sprache vor. Aus dieser entwickelte sich auch vorzüglich die
Sprache, welche in ganz Deutschland die Schriftsprache ist und von
den Gebildeten gesprochen wird, nämlich die hochdeutsche. Sie
ist durch Luthers Uebersetzung der Bibel, welche das herrlichste
Meisterwerk unserer Sprache bleiben wird, in dem 16. Jahrhunderte
Gemeingut unseres Volkes geworden.
So wie die deutsche Sprache eine der reichsten und bildsamsten Sprachen
der Erde ist, so hat auch kein Volk der Erde Schriftwerke aufzuweisen, die au-
*) Ausführlicheres, was die Sprachlehre anbelangt, gibt meine kurze
deutsche Sprachlehre für Real-, Bürger- und Volksschu¬
len rc. Mainz, Florian Kupferberg. 1838. Die Recensionen von
Schmltthenner (Allgemeine Schulzeitung 1838 Nr. 8.) und von Die¬
sterweg (rheinische Blätter 1842. S. 329 f.) haben das Buch den Leh¬
rern bekannter gemacht. 0r. Weigand.