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gier, mit welcher sie über Fliegen, Mücken und andere Opfer ihrer
Spinnknnft herfallen, und der dadurch veranlaßte Glauben an ihre
Giftigkeit. Allerdings besitzen manche Arten von ihnen B. die
Kreuzspinne einen atzenden Saft, der jedoch Menschen nicht gefährlich
werden kann. Wie es sich mit der Giftigkeit der Tarantel in Italien
und der Vogelspinne in Amerika verhält, darüber fehlt es noch an ge¬
nauen Erfahrungen. Wir aber haben nicht Ursache, uns vor Spinnen
zu fürchten und es ist darum thörichte Ängstlichkeit oder Ziererei man¬
cher Mädchen bei dem Anblicke einer Spinne aufzuschreien. Manche
thäte besser, die Spinngewebe an Orten, wohin sie nicht gehören, ab¬
zukehren. Denn obgleich die Spinnen viele dem Menschen lästige In¬
sekten vertilgen, so will man doch lieber einige Fliegen oder Mücken
um sich dulden, als Fenster und Wände mit Spinngeweben behängt
sehen. Anders wäre es, wenn Jemand die Spinnen als Wetterpro¬
pheten benutzen wollte. Diese Gabe ist nämlich dieser Thiergattung in
einem besonders hohen Grade eigen. Ihre außerordentliche Empsind-
lichkeit für jede Veränderung in der Luft läßt sie oft viele Tage voraus
anzeigen, ob warmes oder kaltes, heiteres oder trübes Wetter eintreffen
wird. Im Allgemeinen weiß man, daß die Spinne bei bevorstehendem
heiterem Wetter sich an ihrem Netze Viel zu schaffen macht, bei reg-
nichtem und stürmischem sich in ihren Winkel zurückzieht und der Öff¬
nung desselben den Rücken kehrt. Das Einzele muß man indessen selbst
beobachten, weil jede Spinnenart, und unter derselben Art Männchen
und Weibchen und Junge verschieden leben. Bekannt ist die Geschichte
von dem Franzosen, welcher in einem holländischen Gefängnisse die
Spinnen so genau beobachtet hatte, daß er mit größter Sicherheit ein¬
tretenden Frost voraussagen konnte. Er ermunterte den französischen
General, welcher sich eben zurückziehen wollte, zum weiteren Vordrin¬
gen und führte dadurch die Eroberung Hollands und seine eigene Be¬
freiung herbei.
Merkwürdig ist, daß die Männchen der Spinnen viel länger in
der winterlichen Erstarrung liegen bleiben als die Weibchen und dann
ganz abgemagert erwachen. Oft werden sie dann von den weit stärke¬
ren Weibchen umgebracht, weßhalb sie sich denselben auch nur furcht¬
sam nähern. Die Eier spinnt das Weibchen ein, eine Gattung, die
Sackspinnen, sogar in einen Sack, welchen sie selbst nachschleppt. Diese
Eier, oft 1000 in einem Gespinnste, gehen im Frühlinge aus, worauf
die Jungen sogleich die Kunst, wovon sie sich nähren, beginnen. Ob
die zahllosen Fäden, welche im Herbste Felder und Wiesen bedecken,
und vom Winde herumgetrieben werden (fliegender Sommer, Altewei-
ber-Sommer, Mettenfädlein) von einer besonderen Spinnenart oder von
jungen Spinnchen überhaupt herrühren, darüber ist man noch im Zwei¬
fel. Die Spinnen haben kein zähes Leben, sollen aber doch 6 bis 7
Jahre alt werden, auch nehmen sie an der Eigenschaft des Krebses
Theil, daß ausgerisscne Beine wieder wachsen. Daß weder Nutzen
noch Schaden derselben groß ist, haben wir bereits gesehen. Manche
Leute nehmen ihr Gewebe als Mittel gegen das Fieber ein, andere
stillen das Blut damit. Jedenfalls ist aber wohl der Vortheil, den ite
als Nahrung der Vögel gewähren, größer.