Metadata: Die Geschichte der neuern Zeit (Bd. 3)

32. England unter den vier ersten Tudors. Die Reformation. 187 
Kirche, Cranmer arbeitete rastlos an einer neuen Liturgie und man be¬ 
schäftigte sich eifrig mit einem dogmatischen Werke, das sich dem Systeme 
der festländischen Reformatoren anschloß; mit offenen Armen nahm man 
die protestantischen Flüchtlinge vom Continent auf und räumte ihnen Lehr¬ 
stühle der Theologie in Oxford und Cambridge ein; man scheute sich auch 
nicht, die widerstrebenden Elemente im Lande mit Strafen zu dem pro¬ 
testantischen Systeme zu bekehren; selbst Cranmer, wie feingebildet und milde 
er sich sonst bezeigte, hat Andersdenkende verbrannt. 
Da Somerset ein warmes Gefühl der Theilnahme für die vom Adel 
bedrückten niedern Classen des englischen Volkes hatte und diesen eine gerechte 
Erleichterung zu verschaffen suchte, während sonst die englische Landes¬ 
regierung stets die Forderungen der besitzenden Elasten gegen die unmächtigen 
kleinen Leute zu vertreten pflegte, so führte die Aristokratie seinen Sturz 
herbei. Nachdem einer der Lords nach dem andern den Hof Somerfet's, 
besonders wegen seiner Haltung in der socialen Frage, verlassen hatte, 
zwangen sie ihn, der höchsten Gewalt zu entsagen und, als er nochmals für 
ein neues Protectorat intriguirte, fiel sein Kopf. An seine Stelle trat Graf 
von Warwick, jetzt Herzog von Northumberland. Somerset's Sturz 
hatte bei den Katholiken die Hoffnung erregt, daß mit ihm auch das reformatorische 
Treiben zum Falle gekommen; aber dies erwies sich als eine Täuschung. Vielmehr 
schritt die neue Verwaltung der Lords nur noch rücksichtsloser und gewalt¬ 
samer in der kirchlichen Umgestaltung weiter. Aber da der streng resormirt 
erzogene König schon früh zu kränkeln begann, so schien alles, was man in 
den letzten Jahren begründet hatte, sofortiger sicherer Zerstörung ausgesetzt, 
wenn ihm wirklich die von Heinrich VIII. bestimmte Erbin, seine ältere 
Schwester Maria, folgen sollte. Denn diese war von dem Anhange ihrer 
Mutter, der spanischen Katharina, im Haffe gegen die neue Lehre erzogen 
worden und hatte bereits allen Mißvergnügten im Lande das herzhafteste 
Beispiel gegeben, sich den kirchlichen Anordnungen der Staatsregierung nicht 
zu fügen, indem sie öffentlich und nachdrücklich jede Betheiligung an dem 
anglikanisch-protestantischen Gottesdienste ablehnte, wobei sie den Kaiser 
Karl V. im Rücken hatte. 
Unter diesen Umständen dachte das Hanpt der protestantischen Adels¬ 
regierung an eine Abänderung der Thronfolge. Warum sollte auch Eduard VI. 
nicht durch einen Machtspruch das Belieben seines Vaters aufheben 
dürfen? Es war ja noch Elisabeth vorhanden, Anna Boleyn's 19jährige 
Tochter; es lebten auch Enkelinnen der jüngern Schwester Heinrich's (Maria), 
die er selbst vor der ältern (schottischen) Linie bevorzugt hatte. Auf dieses 
Vorzugsrecht baute Northumberlaud alle seine Pläne. Er gewann die ein¬ 
flußreichsten Männer des hohen Adels, brachte auch die protestantische Geist¬ 
lichkeit, selbst den zaudernden Cranmer, auf seine Seite, er erhielt die Zu¬ 
sage französischer Unterstützung. Nachdem er einige Zeit in der Wahl seines
	        
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