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seines Pfarramtes stiftete er einen Verein für Ackerban, welcher mit 
auswärtigen Vereinen der Art in Verbindung trat und im Stande 
war, jährlich Preise an fleißige Obstpflanzer zu vertheilen. 
Auch für die Schulen war Oberlin so thätig, daß das Steinthal 
sich auch in diesem Punkte bald im ganzen Elsaß auszeichnete. Die 
Kinder lernten mit Luft, weil sie sahen, daß nicht nur ihre Lehrer, son¬ 
dern auch ihr Pfarrer und ihre Eltern ihre Freude daran hatten und 
mit der größeften Anstrengung alles zum Unterricht Nöthige herbei¬ 
schafften. Ganz besonders merkwürdig aber ist, daß im Steinthale 
durch Oberlin die erste Kleinkinderschule in ganz Europa entstand. 
Schon früh hatte er die Nachtheile bemerkt, welche die jüngeren Kin¬ 
der leiden, während die älteren die Schulen besuchen, die Eltern aber 
ihren Berufsarbeiten nachgehen. Nicht blos Gefahren für Leben und 
Gesundheit sind die unbeaufsichtigten Kleinen ausgesetzt, sondern ihr 
Geist kann sich in der Einsamkeit nicht entwickeln, deßhalb bleiben sie 
zurück. Oberlin machte seine Frau auf dieses Übel aufmerksam und 
diese, welche eben so menschenfreundlich dachte als ihr Gatte, bestellte 
Aufseherinnen, welche die Kinder von 2 bis 6 Jahren um sich sam¬ 
melten und dieselben mit Spiel und kleinen Arbeiten beschäftigten. 
Unter diesen Aufseherinnen befand sich ein junges Bauernmädchen, 
welches als die eigentliche Begründerin der Bewahranstalten zu betrachten 
ist, weil sie nach dem bald erfolgten Tode der Pfarrerin die Jvee 
derselben ausführte und verbefferte. Dieses tugendhafte Mädchen, wel¬ 
ches zugleich in dem Hause des Pfarrers Oberlin zuerst als Magd, 
dann als Haushälterin seine jüngeren Kinder erzog und ohne alle Be¬ 
lohnung sich allen Diensten unterzog, bald die Kleinen beaufsichtigte, 
bald Kranke besuchte, Arme unterstützte und in alle seine menschen¬ 
freundlichen Plane einging und darum von ihm als Tochter ange¬ 
nommen wurde, hieß Luise Schepler und ist eins der schönsten 
Beispiele weiblicher Vortrefflichkeit. Auch wurden ihre Verdienste, so 
wie die ihres Pflegevaters um das Steinthal nicht blos von der Ge¬ 
meinde selbst, sondern zuletzt auch von der französischen Regierung an¬ 
erkannt. Luise Schepler erhielt einen Preis von 5000 Franken, den 
ein edler Mann in Paris für Diejenigen ausgesetzt hatte, welche sich 
um das Wohl der Menschheit am meisten verdient machten. Sie be¬ 
stimmte dies Kapital ihrer Kleinkinderschule und behauptete, der Ruhm 
gebühre nicht ihr, sondern der verstorbenen Pfarrerin. Der alte Ober¬ 
lin erhielt einen Orden und wurde in den Stand gesetzt, ohne solche 
Entbehrungen, wie früher zu leiden, sein wohlthätiges Leben fortzu¬ 
setzen. Die schönste Anerkennung aber fand er bei seinem Tode im 
Jahre 1826. Nicht blos seine Pfarrkinder von dem ältesten bis zum 
jüngsten begleiteten mit Thränen die Leiche des Vaters Oberlin, son¬ 
dern auch eine ungeheure Zahl seiner Verehrer aus der Umgegend. 
Und zwar machte die Konfession dabei keinen Unterschied. Katholische 
Frauen in Trauer gekleidet knieten rings um den Begräbnißplatz in 
stillem Gebete, und mehrere katholische Geistlichen saßen in ihrer Kir¬ 
chenkleidung unter den protestantischen in der Kirche. Und damit sein 
Werk nicht untergehe, wurden Beiträge zu einer Stiftung, die Ober¬ 
lins Namen führt, gesammelt. Alles Dies kann man weitlänsiger in 
den Büchern lesen, welche Oberlinö Leben beschreiben.
	        
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