197
reichen, aber trägen Aller durchflossen, welche die Leine aufnimmt,
an deren Ufer sowohl die Stadt Hannover als auch das höher lie¬
gende Göttingen gelegen ist. Der andere Nebenfluss der Aller, die
Ocker, Hiesst an der Stadt Braunschweig vorbei, worin der Herzog
von Braunschweig seine Residenz hat. Allein diese beiden nahe
verwandten Fürstenhäuser haben ihre in einander laufenden Länder
durch Mauthen abgeschlossen, so dass die Gränzorte hart geplagt
sind. Denn das Königreich Hannover findet es nicht vortheil haft,
dem deutschen Zollvereine beizutreten und öffnet lieber seine Häfen
den Engländern, wodurch es zwar Kaffee und Zucker wohlfeiler
kauft, dagegen aber auch keine Fabriken und keinen selbstständigen
Handel im Lande ausbringt. Doch wird hoffentlich bald einige Ei¬
nigung mit dem übrigen Deutschland stattfinden. Zu blühendem
Handel bietet das hannoverische Land gute Gelegenheit, denn die
Mündungen der Elbe und Weser gehören zur Hälfte und die der
Ems ganz zu Hannover und der Hafen von Emden wäre für grosse
Fahrzeuge leicht zugänglich zu machen. Auch hat das Land manche
schöne Ausfuhrartikel. In Ostfriesland, das heisst dem niedrigen
Lande an den Ufern der Ems, gibt es Pferde und Rindvieh von
ausgezeichneter Grösse, und Butter und Käse wird dort in Menge
verkauft. Von dem Harze kommen edle und unedle Metalle, und
auch sonst fehlt es nicht an manchem Segen Gottes. So hat die
Stadt Lüneburg in der Nähe der grossen Sandfläche, welche nach
ihr die Lüneburger Heide genannt wird, eines der besten Salz-
werke in Deutschland, ja vielleicht in Europa. Zum Andenken
daran, dass ein Schwein diese Salzquellen zuerst entdeckt haben
soll, wird dessen getrockneter Schinken noch immer in Lüneburg
aufbewahrt. Auch die Stadt Osnabrück, welche vormals zu
Westphalen gerechnet wurde, gehört jetzt zu Hannover. Sie ist
jedem Deutschen dadurch merkwürdig, dass im Jahre 1648 der
fürchterliche 30jährige Krieg endlich dort und in Münster durch
den sogenannten Westphälischen Frieden beendigt wurde. In ganz
Hannover spricht das Volk plattdeutsch, die Gebildeten aber reden
einen angenehmen und ziemlich reinen Dialekt, so wie überhaupt
die Bildung der höheren Klassen durch die reich ausgestattete
Landesuniversität und gute Gymnasien und höhere Bürgerschulen
auf einer achtungswerthen Stufe steht. Freilich ist Göttingen jetzt
nicht mehr der Mittelpunkt deutscher Gelehrsamkeit, wie zu Ende
des vorigen Jahrhunderts, und von ausländischen Studenten wird
es bei weitem nicht mehr so viel besucht.
\ 22. b. Leibnitz und Herfchei.
Große Männer bedürfen keiner weitläustigen Grabschristen, man
suchet und findet ihre Gräber doch. Auf dem Spaziergange bei Han¬
nover steht ein einfacher Stein mit der Inschrift: „Leibnitz's Gebeine."
Bei diesem bleibt jeder Fremdling stehen und gedenkt der Verdienste des
Mannes, welcher unter dem Steine ruht. Denn Wer die Wissenschaften
kennt, der weiß auch, was Leibnitz dafür gethan hat. In der deutschen
Geschichte hat er zuerst die Urkunden gründlich durchforscht, in der RelP