208
die Franzosen mit ihrem neuen Könige unzufrieden seien und sich nach
ihm zurücksehnten, schiffte er heimlich nach Frankreich zurück und be¬
mächtigte sich in Kurzem des ganzen Reiches. Sobald er sich nun in
Paris festgesetzt hatte, begann er ungeheuere Rüstungen, weil er wohl
einsah, daß die verbündeten europäischen Mächte ihm den französischen
Thron nicht überlassen würden. Die zu Wien versammelten Fürsten
rüsteten sich gleickffallö zum Kriege. Auch der Herzog Friedrich Wil¬
helm von Braunschweig, der immer ein Gegner Napoleons gewesen
war, und der kürzlich sein Land wiedererlangt hatte, eilte, seinen Bei¬
trag zum Heere der Verbündeten zu stellen. Nur 3000 Mann ver¬
langte man von ihm; er aber stellte mehr als die doppelte Zahl. Denn
er wußte, daß es rascher und mächtiger Gegenwehr bedurfte, und
säumte mit der Zurüstung um so weniger, als er den raschen und klu¬
gen Gegner kannte. Der Herzog übte sein kleines Heer täglich selbst
und führte es im Anfange Mai'ö über den Rhein. Zu Brüssel stellte
er seine Braunschweiger dem englischen Obergeneral Wellington vor, zu
dessen Heere sie stoßen sollten. Der Herzog hatte es sich jedoch aus¬
gebeten, seine Braunschweiger selbst anführen zu dürfen.
Napoleon ließ nicht lange ans sich warten. Schon am 15. Juni
brach er mit einem Heere von 150000 Mann in die Niederlande ein
und warf sich zuerst auf die Preußen, die unter dem Feldmarschall
Blücher standen. Zwischen beiden Heeren kam eö am 16. Juni 1815
zur Schlacht, in welcher die Preußen zurückgedrängt wurden. Einen
Theil seines Heeres hatte Napoleon an diesem Tage gegen die Eng¬
länder geschickt, um diese von der Vereinigung mit den Preußen ab¬
zuhalten. Der Feldmarschall Wellington hatte aber eine Schaar von
20 000 Mann zusammengezogen, mit der er die Preußen unterstützen
wollte. Seit dem frühen Morgen stand diese Schaar gegen die Fran¬
zosen im Kampfe. Der Herzog Friedrich Wilhelm war bei derselben
Nachmittags um 2 Uhr mit seinen Braunschweigern angelangt. Da
er wegen der schlechten Wege kein schweres Geschütz hatte fortbringen
können, so mußte die Tapferkeit seiner Reiterei und seines Fußvolkes
diesen Mangel ersetzen. Er stellte den feindlichen Reiterangriffen den
tapferen Widerstand viereckiger Stellungen entgegen. Seine jungen
Krieger waren nie im Feuer gewesen; aber sie standen wie Mauern
und schlugen alle Angriffe zurück. Der Kampf war fürchterlich, und
Ströme von Blut flössen. Viele Ofsiziere und ganze Rotten Soldaten
blieben auf dem Wahlplatze liegen. Der französische Marschall ließ
immer neue Truppen vorrücken, dennoch wichen die tapferen Braun¬
schweiger nicht. Denn der Herzog war stets an ihrer Spitze, war
allenthalben, bemerkte jede Gefahr und beugte derselben bei Zeiten vor.
Sein Beispiel machte jeden Krieger zu einem Helden; sein Zuspruch
belebte die letzte Kraft der ihm ganz ergebenen Kämpfer. So gelang
es, die immer neu heranstürmenden Franzosen zurückzuhalten und da¬
durch ihren Sieg zu vereiteln.
Ach, aber am Abevd um 6 Uhr, mitten im heißesten Kampfe traf
den heldenmüthigen Fürsten selbst eine Flintenkugel, verwundete seine
rechte Hand und drang in seine rechte Seite in so schiefer Richtung
ein, daß sie das Zwerchfell durchbohrte und bis in die Lunge vordrang.
Er fiel sogleich vom Pferde herab. Als man ihn aufhob, bedeckte