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A. Erzählende Prosa. IV. Sagen, a) Deutsche Sagen. 
Herrn mit frechen Händen, daß sie ihn fingen und schlügen. Als Herr 
Heinrich diesen Treubruch und Mordanfall geschehen sah, ließ er Baden 
und Waschen, sprang aus dem Zuber, nahm den Schild mit der einen 
und sein Schwert mit der andern Hand und lies bloß und nackend dem 
Gemenge zu. Kühn schlug er unter die Feinde, tötete und verwundete 
eine große Menge und machte sie alle flüchtig. Darauf löste er den 
Kaiser seiner Bande und lief schnell zurück, legte sich in den Zuber 
und badete nach wie vor. Als Otto wieder zu seinem Heere gelangte, 
wollte er erkunden, wer sein unbekannter Retter gewesen wäre. Zornig 
saß er im Zelt auf seinem Stuhl und sprach: „Ich war verloren, wenn 
mir nicht zwei ritterliche Hände'geholfen hätten; wer aber den nackten 
Mann kennt, führe ihn vor mich her, daß er reichen Lohn und meine 
Huld empfange; kein kühnerer Held lebt hier noch anderswo". 
Nun wußten wohl einige, daß es Herr Heinrich von Kempten ge¬ 
wesen war; doch fürchteten sie den Namen dessen auszusprechen, dem 
der Kaiser den Tod geschworen hatte. „Mit dem Ritter," antworteten 
sie, „stehet es so, daß schwere Ungnade aus ihm lastet; möchte er deine 
Huld wieder gewinnen, so ließen wir ihn vor dir sehen". Da nun der 
Kaiser sprach: und wenn er ihm gleich seinen Vater erschlagen hätte, 
so solle ihm vergeben sein, nannten sie ihm Heinrich von Kempten. 
Otto befahl, daß er alsbald herbeigebracht würde; er wollte ihn aber 
erschrecken und übel empfangen. 
Als Heinrich von Kempten hereingeführt worden war, geberdete 
der Kaiser sich zornig und sprach: „Wie getrauet Ihr Euch mir unter 
die Augen zu treten? Ihr wißt doch wohl, warum ich Euer Feind 
bin, der Ihr meinen Bart gerauft und ohne Schermesser geschoren 
habt, daß er noch ohne Locke steht. Welch hoffärtiger Übermut hat 
Euch jetzt daher geführt?" — „Gnade, Herr," sprach der kühne Degen, 
„ich kam gezwungen hierher; mein Fürst, der hier steht, gebot es bei 
seinen Hulden. Gott sei mein Zeuge, wie ungern ich diese Fahrt ge¬ 
than; aber meinen Diensteid mußte ich lösen. Wer mir das übel nimmt, 
dem lohne ich so, daß er sein letztes Wort gesprochen hat". Da begann 
Otto zu lachen: „Seid mir tausendmal willkommen, Ihr auserwählter 
Held! Mein Leben habt Ihr gerettet, das würde ich ohne Eure Hilfe 
verloren haben, seliger Mann!" So sprang er auf und küßte ihm 
Augen und Wangen. Ihre Feindschaft war dahin und eine lautere 
Sühne gemacht. Der hochgeborne Kaiser lieh und gab ihm großen Reich¬ 
tum und brachte ihn zu Ehren, deren man noch gedenket. 
59. Das Rad im Mainzer Wappen. (975 n. Chr.) 
Nach den Brüdern Grimm. Deutsche Sagen. Berlin, 1865. 
Im Jahre 975 wurde Willigis, ein frommer und gelehrter Mann, 
zum Erzbischof von Mainz gewählt. Er war aber von geringer Her¬ 
kunft; denn sein Vater war ein Wagener gewesen. Deshalb verachteten 
ihn die adligen Domherren und Stistsgenossen und malten, um ihm 
Verdruß zu bereiten und Schmach anzuthun, mit Kreide Räder an die
	        
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