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welch einen schauderhaften Eindruck diese Scene auf meine kindische 
Seele machte! 
Endlich langte ein Schiff voll Roggen auf der Rhede an, dem 
sich tausend sehnsüchtige Augen und Herzen entgegen richteten. Aber, 
o Jammer! beim Einlaufen in den Hafen stieß es gegen eine Ecke des 
Hafendammeö und nahm so beträchtlichen Schaden, daß es im Strome 
selbst, nur wenige hundert Schritte weiter in den Grund sank. Sollte 
die kostbare Ladung nicht ganz verloren sein, so mußten schleunige An¬ 
stalten getroffen werden, das verunglückte Fahrzeng wieder über Wasser 
zu bringen. Dazu wurden denn zwei Schiffe benutzt, die eben auch im 
Hafen lagen, und wovon das eine von meines Vaters Bruder geführt 
wurde. So war ich denn auch bei diesem Emporwinden, an welchem 
ich eine kindische Freude hatte, beständig zugegen, ward mitunter auch 
wohl als unnütz und hinderlich über Seite geschoben, und habe darüber 
all diese einzelen Umstände nur um so besser im Gedächtniß behalten. 
Ging nun gleich das wieder-flott-Machen des Schiffes glücklich 
von Statten, so war doch das Korn durchnäßt, zum Vermahlen un¬ 
tüchtig und die Hoffnung all der darauf vertrösteten Menschen vereitelt. 
Die Colberger Bürger kauften den beschädigten Roggen um ein Viertel 
des geltenden Marktpreises, und da mein Vater damals königlicher Korn- 
meffer im Orte war, so ging auf diese Weise die ganze geborgene La¬ 
dung durch seine Hände. Jeder suchte mit seinem Kauf so gut als 
möglich zurecht zu kommen und ihn aufs schnellste zu trocknen. Alle 
Straßen waren auf diese Weise mit Jacken und Schürzen überdeckt, 
auf welchen das Getraive der Luft und der Sonne ausgesetzt wurde. 
Kurze Zeit darauf erschien ein zweites großes Kornschiff, und nun 
ward es endlich möglich, die Armuth allgemeiner zu befriedigen. 
74. Der Brand in dem Thurme zu Colberg. 
Am 28. April dieses Jahres (1777) stand ich (Joachim Nettel¬ 
beck) hier in Colberg, etwa um die Mittagszeit, eines abzumachenden 
Geschäftes wegen bei meinem Advokaten am Fenster, als mitten in un¬ 
serem Plaudern plötzlich ein ganz erschrecklicher Donnerschlag geschah, 
so daß Jener vor Schrecken neben mir niederstürzte und ohne Leben 
und Besinnung schien. In der That glaubte ich auch Nichts gewisser, 
als daß er von dem Blitzstrahle getroffen worden sei, bis mein Rütteln 
und Schütteln ihn endlich wieder auf die Beine brachte. „Wo hat es 
eingeschlagen?" fragte er, immer noch hoch bestürzt. — „Ich hoffe 
nirgends," war meine Gegenrede, „oder mindestens doch nicht gezündet, 
da Regen, Schnee und Hagel die Luft erfüllen und alle Dächer triefen." 
Allein in dem nämlichen Augenblicke stürzte auch der Kaufmann, 
welcher schräg gegenüber wohnte, aus seinem Hause hervor, schlug die 
Hände über'm Kopfe zusammen, schrie aus Leibeskräften und richtete 
dabei den Blick immer nach dem Kirchthurme empor, den er jenseits 
wahrnehmen konnte. Ich ahnete Unheil, lief also stracks hinüber, mußte 
ihm aber lange einreden, bevor ichs von ihm herauskriegte: „Mein Gott! 
unsere arme Stadt! Sehn Sie denn nicht? Der Kirchthurm brennt 
ja lichterloh!" — So war es denn auch wirklich. Die helle Flamme 
spritzte bei der Wetterstange gleich einem feurigen Springbrunnen empor;
	        
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