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|7f>. Der FruukerrsLein. 
Eine der schönsten Schloßr-ninen des OdenwaldeS ist der Franken¬ 
stein, gerade an der nördlichen Ecke der Bergstraße, nicht weit von 
dem durch daö Felsenmeer und die Riesensäule bekannten Felöberg, 
und mit einer Aussicht über die Rheinebene, welche der von dem hö¬ 
heren Melibokus nicht viel nachsteht. Die Ruine ist soweit hergestellt, 
daß man dieselbe leicht besteigen kann, und in der daran gebauten 
Försterswohnung findet der Wanderer Erfrischung. Das Merkwür¬ 
digste aber bleiben doch die Erinnerungen aus der Vergangenheit 
dieser Burg. 
In dem benachbarten Dorfe findet sich der Grabstein des Ritters 
Georg von Frankenstein, worauf derselbe in voller Rüstung und auf 
einem Drachen stehend, abgebildet ist. Die Sage erzählt, dieser Drache 
habe in der Rahe gehaus't und Vieh und Menschen geraubt. Alle 
Versuche, das Land von dieser Plage zu befreien, seien vergeblich ge¬ 
wesen und hätten nur neue Menschenleben gekostet. Da habe sich der 
Ritter von Frankenftein des Volkes erbarmt und im Vertrauen auf 
Gott den Kampf unternommen. Wirklich fei eö ihm gelungen, daö 
Ungeheuer tödlich zu verwunden und es mit feinem Fuße niederzu¬ 
treten. Der gräuliche Wurm habe sich aber nochmals gekrümmt und 
mit seinem giftigen Stachel den Ritter durch die Fugen des Harnisches 
hindurch in das Knie gestochen. Das Land war befreit, aber der 
heldenmüthige Befreite erlitt einen schmerzvollen Tod. So schön 
diese Sage klingt, so ist sie gleichwohl doch nicht wahrscheinlich. Denn 
man kennt daö Todesjahr des Georg von Frankenstein. Und da dieß 
in das 16. Jahrhundert, vor nicht viel über 300 Jahre fällt, so muß 
man sehr zweifeln, daß wenn es überhaupt Drachen gegeben hat, 
damals dergleichen noch in dem Odenwalde gelebt haben. Sicherlich 
würden uns die Geschichtlicher jener Zeit eine so außerordentliche Be¬ 
gebenheit erzählt haben. 
Dagegen weiß man ganz zuverlässig von dem sogenannten Eselö¬ 
lehen der Herren von Frankenstein. Diese hatten nämlich den wun¬ 
dersamen Vertrag mit der Stadt Darmstadt, daß sie gegen eine jähr¬ 
liche Abgabe an Korn und Geld den Bürgern auf Verlangen einen 
Esel durch einen besonderen Boten zu schicken hatten. Und Was ge¬ 
schah mit dem Esel? Auf ihn wurden die Weiber gesetzt, welche es 
gewagt hatten, sich thätlich an ihren Männern zu vergreifen. Hatte 
die Frau den Mann hinterlistig geschlagen, so führte der frankenstei- 
nische Bote sie auf seinem Esel in den Straßen der Stadt herum. 
Hatte aber der Mann sich mit ihr in eine schimpstiche Schlägerei ein¬ 
gelassen , so mußte er den Zaum des Esels halten, worauf seine Ehe¬ 
hälfte saß, und der Bote ging blos hinterdrein. So „straften unsere 
Voreltern die Störung des ehelichen Friedens und die Übertretung der 
weiblichen Bescheidenheit. 
80. Worms. Luther vor dem Reichstag. 
In der uralten Stadt Worms am Rhein sollen einst die Könige 
der Burgunder ihren Sitz gehabt und dort den Helden Siegfried em- 
18'
	        
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