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chens, wo er residirte, einen Hut auf eine Stange stecken lassen und 
geboten, diesen Hut zu grüßen, als wäre es der Kaiser selbst. Tell 
hatte dies Gebot nicht erfüllt und sollte dafür seinem eignen Kinde 
einen Apfel vom Kopfe herunterschießen. Er war nämlich als der beste 
Schütze bekannt, und der Landvogt glaubte ihn durch diese Aufgabe 
härter zu strafen, als durch alles Ändere. Tell mußte gehorchen und 
sein Knabe stellte sich freiwillig und ruhig an einen Baum den Apfel 
auf dem Kopf. Der Vater legt im Beisein vieles Volkes und auch 
des Landvogtes die Armbrust an, zielt und schießt glücklich den Apfel 
mitten durch, ohne seinem Kinde ein Haar zu krümmen. Aber wäh¬ 
rend Alles jubelnd hinzuläuft und Glück wünscht, bemerkte der Land¬ 
vogt einen zweiten Pfeil in dem Köcher des Schützen. Was wolltest 
du mit diesem zweiten Pfeile? fragte er zürnend. Tell antwortet nicht. 
Sprich die Wahrheit! ruft der Landvogt, es soll dir am Leben Nichts 
geschehen. — Nun denn, erwiedert Tell, wenn Ihr es durchaus wissen 
wollt, der zweite Pfeil war für Euch, wenn der erste das Haupt mei¬ 
nes lieben Kindes getroffen hätte. — Das Leben habe ich dir ver¬ 
sprochen, sprach höhnisch der Vogt, aber du sollst es tief unter der 
Erde zubringen, wo du keinen Pfeil mehr abschießen wirst. Auf ihr 
Knechte! bindet ihm Hände und Füße! — So wurde Tell in das 
Schifflein geworfen, worin der Landvogt über den'See nach seiner 
Burg fahren wollte. Allein kaum befanden sie sich auf dem Gewässer, 
so brach ein entsetzlicher Sturm los, so daß sich Alle verloren gaben. 
Nur der Tell, sagten die Schiffer kann uns retten, er ist der geschick¬ 
teste Steuermann im Lande. Da befahl der Laudvogt ihm die Fesseln 
abzunehmen, und Tell brachte wirklich das Schiff bis nahe an eine 
Felfenplatte. Hier aber warf er das Ruder weg, ergriff seine Arm¬ 
brust und sprang mit einem kühnen Sprunge hinaus, während das 
Schiff aufs neue mit den Wellen kämpfte. Doch gelang es zuletzt 
auch dem Landvogt zu landen, und Tell, um sein und der Seinigen 
Leben zu retten, mußte nun seinen zweiten Pfeil wirklich gegen seinen 
Verfolger richten. In einer engen Gaffe erwartete er den stolzen Vogt 
und schoß ihm den Pfeil ins Herz. Diese That war das Zeichen für 
die übrigen Schweizer, sich gegen ihre Bedrücker zu erheben, und nach 
manchen blutigen Schlachten, welche sic gegen viel zahlreichere Heere 
gewannen, wurden sie als ein freies Volk anerkannt, 2as sich durch 
seine selbst gewählte Obrigkeit regiert. 
123. Die Schlacht bei Morgarten und Sembach. 
Arnold von Winkelried. 
Der Kaiser Albrecht hörte mit großer Entrüstung, daß man in der 
Schweiz seine Vögte verjagt hatte. Ohne zu untersuchen, ob nicht die 
Tyrannei derselben Ursache dieser Gewaltthat gewesen sei, waffnete er sich 
zur Rache gegen die Schweizer. Allein ehe es zur Ausführung kam, 
ward er von seinem Neffen ermordet, und die Schweizer erhielten dadurch 
Zeit sich zu starken, wenn vielleicht die Ostreicher später versuchen sollten, 
sie anzugreifen. Das geschah denn auch wirklich. Herzog Leopold von 
Östreich zog mit einem Heere von 20 000 Mann, bei welchem sich die 
ganze Verwandtschaft der vertriebenen Vögte, sowie der größte Theil des
	        
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