fullscreen: Deutsches Lese- und Bildungsbuch für katholische Schullehrer-Seminare

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im Zaune, ein kleines, prächtiges Vögelchen, welches schwerlich verkannt werden dürfte. 
Der reich befiederte Leib hat sehr knrze Flügel und einen kurzen Stumpfschwanz, 
der regelmäßig aufrecht getragen wird, lange, starke Füße und einen dünnen, pfriem¬ 
förmigen, etwas gebogenen Schnabel. Beide Geschlechter sind gleichmäßig gefärbt 
5 und die Jungen kaum anders als die Alten gezeichnet. Die Oberseite ist rostbraun, 
vom Oberrücken an schwärzlich quer gebändert, die Unterseite ist rostgrau, an den 
Seiten schwärzlich und weißlich in die Quere getupft. Die Flügel und der Schwanz 
sind zierlich schwarz gebändert, die Achselgegend ist mit einigen weißen Flecken besetzt, 
und über das Helle Auge zieht sich, der Braue vergleichbar, ein lichter Streifen, durch 
10 dasselbe ein dunklerer. 
Soviel man weiß, fehlt der Zaunkönig in keinem Lande Europas; doch scheint 
es, als ob er im Norden häufiger wäre als im Süden. In Deutschland wohnt er 
überall, wo es dichtes Gebüsch, namentlich dichte Hecken giebt. Seine kurzen Flügel 
gestatten ihm nicht, mit den anderen Kerbtierfrefsern zu wandern; er bleibt daher 
15 hübsch in der Heimat und bekundet durch sein Betragen, daß es ihm auch im Winter 
in derselben gefällt. Er verdient wirklich den Namen Schnee- und Winterkönig, 
sobald man mit solchem Titel Glückseligkeit verbindet; denn an Munterkeit und Froh¬ 
sinn, trotz trüber Zeit, kommt unserem Zaunkönig kaum ein anderer Vogel gleich, und 
keiner übertrifft ihn. Wer ihn kennt, rühmt ihm gute Eigenschaften nach, außer dem 
20 Frohsinn die Lust am Gesang, außer dem munteren Wesen die Keckheit, außer der 
Gewandtheit die Anmut in seinem ganzen Sein und Treiben. Ununterbrochen in 
Bewegung, durchhüpft und durchkriecht er sein niederes Reich, und bei der strengsten 
Kälte singt er mit derselben Behaglichkeit, wie im Frühjahr. Seine Bewegungen 
sind sonderbar. Er hüpft äußerst schnell auf dem Boden hin und kriecht mit wunder- 
25 barer Gewandtheit durch alle Löcher, Ritzen, Spalten und Öffnungen in oder über 
dem Boden, im Mauerwerk, im Gezweig und Genist, so daß er einer Maus ähnlicher 
erscheint als einem Vogel. Dank dieser Behendigkeit entgeht er den vielen Feinden, 
welche auch ihn bedrohen, kriechend und dnrch das Dickicht huschend; aber das Fliegen 
versteht er bloß in geringem Grade. Gewöhnlich schwirrt er nur über kurze Räume 
30 niedrig und in gerader Linie fort, und bei aller Anstrengung bringt er es höchstens 
zu flachen, kurzen Bogen, deren Höhen er mühselig zu erklimmen scheint. Im Freien 
ist er verloren, trotz seiner Flügel; ein Mensch kann ihn in kürzester Zeit so er¬ 
müden, daß er sich willig gefangen giebt. Sein Reich ist das Buschdickicht; je un¬ 
durchdringlicher, nm so besser. Hier bekundet er sein eigentliches Wesen. Stolz und 
35 keck zeigt er sich ab und zu auf den höchsten Spitzen der Gebüsche, den kleinen Stumpf- 
schwänz kühn in die Höhe gerichtet, mutvollen Auges um sich blickend und aufmerksam 
seine Umgebung betrachtend. Sobald. er etwas Merkwürdiges bemerkt, macht er 
schnelle Bücklinge und stelzt den Schwanz noch höher als gewöhnlich. Den Menschen 
rechnet er nicht zn seinen Feinden; denn er beweist ihm viel Vertrauen und treibt 
40 sich ohne Scheu in seiner Nähe umher; dagegen flößt ihm der Anblick einer Katze oder 
eines Raubvogels große Furcht ein, und er giebt dieser dann sofort durch ein schnell 
wiederholtes „Zeckzeck" Ausdruck. Seinen Gatten lockt er durch ein weitschallendes 
„Zerrrr", und diesen Ton wendet er auch zur Begrüßung befreundeter Wesen an. 
Der ebenso reichhaltige als angenehme Gesang besteht aus vielen hellpfeifenden Tönen, 
45 die ab und zu durch einen kunstvollen Triller unterbrochen werden. Ein gut 
schlagender Kanarienvogel kommt dem Zaunkönig im Gesang noch am nächsten; aber 
dieser hat weit mehr Feuer und singt auch viel fleißiger, nicht bloß im Frühling und 
Sommer, sondern auch im Winter bei strenger Kälte. Sofort nach dem Singen 
stürzt er sich von dem gewählten höheren Zweige senkrecht in das Buschdickicht herab, 
50 huscht in diesem fort und erscheint dann gelegentlich an einer anderen Stelle, ungefähr 
in dergleichen Höhe, zu neuem Singen. 
Schon Ende März beginnt das Paar mit dem Bau seines Nestes, denn hierzu
	        
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