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Der Gemsenjäger muß scharfe Augen, gute Füße und eine starke
Brust haben und schwindelfrei sein; vorrüglich muß er gut schießen
können. Er muß gewohnt sein, über Eisfelder, steile Klippen und neben
den tiefsten Abgründen zu gehen; er muß Sturm, Unwetter, Kälte und
Hunger ertragen können. Seine Ausrüstung besteht in einem leichten
Kleide, stark benagelten Schuhen, woran er Fußeisen schnallen kann,
einem mit einer eisernen Spitze beschlagenen Stock, einer guten Büchse,
einem Fernrohre und einer Jagdtasche mit einigen Lebensmitteln. Mit
Sonnenaufgang betrachtet er mit seinem Fernrohre die höheren Gebirgs-
wände und steigt inimer höher gegen den Wind. Erblickt er endlich eine
oder mehrere Gemsen, so stellt er sich an einen Felsen und wartet mit
vieler Geduld, bis sich ihm diese nahen. Sobald er die Hörner unter¬
scheiden kann, schießt er. Die" Gemse hat aber ein zähes Leben, und
wenn er nicht Kopf oder Brust trifft, so ist seine Mühe umsonst. Oft
stürzt auch die Gemse in einen Abgrund, in welchen der Jäger nicht
gelangen kann, oder sie wird durch den Sturz ganz unbrauchbar. Hat
er endlich eine Gemse erlegt, so hat er noch größere Mühe, weil er die¬
selbe tragen muß. Zu diescin Zwecke weidet er sie aus (d. h. er nimmt
die Eingeweide aus dem Leibe), bindet die Füße zusammen und hängt
sie über den Rücken. Dann steigt er, sich auf seinen Stock stützettd, lang¬
sam, indem er oft einen gangbaren Pfad mühsam suchen muß, herunter.
Das Fleisch der jungen Gemsen ist sehr schmackhaft; das Fell gibt
ein vortreffliches Handschuhleder und die Hörner werden zu Griffen an
Spazierstöcken benutzt. Zähmen lassen sie sich wohl, ertragen aber das
eingesperrte Leben nicht. So wird es denn kommen, daß in einiger Zeit
die Gemsen auf den deutschen Alpen ebenso rein ausgerottet sein werden,
als die dortigen Steinböcke bereits sind.
22. Das Eichhörnchen.
Das Eichhörnchen bewohnt die Wälder, baut sich Nester ans den
Bäumen uitd verbirgt sich darin bei starkem Regen, Stürmen und vor¬
züglich bei starker Kälte, wo es sich nur selten sehen läßt. Es nährt
sich von verschiedenen Sämereien, vorzüglich von Kiefern-, Fichten-,
Tanncnsamen, Bucheckern, Eicheln, Hasel- und Wallnüssen, Äpfel- und
Birnkernen, Kastanien, Hanf, Ahorn- und Masholdersamen u. s. w.
Auch verzehren die Eichhörnchen die Knospen vieler Bäume, vorzüglich
der Kiefern, die sie überhaupt gern zu ihrem Aufenthalte wählen, man¬
cherlei Pilze, auch süße Mandeln; aber bittere Mandeln, Aprikosen- und
Pfirsichkerne sind ihnen, wegen der darin enthaltenen Blausäure, tödlich.
Bisweilen rauben sie sogar Vögel. Einige Knaben trafen ein Eichhorn
an, das eben beschäftigt war eine große Drossel zu rupfen, und als sie
zusprangen und das Eichhorn die Drossel fahren ließ, flog diese noch so
schnell davon, daß sie nicht ereilt werden konnte. Ein ander Mal wurde
eins gefunden, das eine Meise zwischen den Zähnen hatte, welche nicht
so glücklich davon kam. Es plündert auch oft Vogelnester. Mit großer
Schnelligkeit zernagt das Eichhörnchen die härteste Nuß, indem cs die¬
selbe in den Vorderpfoten hält und dreht, bis es die rechte Stelle zum
Zerknacken gefunden hat. Eine taube Nuß öffnet es gar nicht, da es
schon durch die Schale riecht oder am Gewichte merkt, daß sie leer ist.