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33. Über Nutzen und Schädel» der Naubvögel. 
In dem Hofe des Pfarrers zu N. entstand plötzlich ein gewaltiger 
Lärm unter dem Geflügel. Die Tauben flogen auf, die Hühner flüch¬ 
teten sich, die Enten und Gänse steckten die Köpfe zusammen und liefen 
dann eilig nach dem Hause. Auch die Kinder waren bestürzt, denn 
sie erblickten einen Habicht, der wie ein Pfeil auf ein schönes weißes 
Täubchen stürzte und es trotz alles Sträubens in seinen Krallen fest¬ 
hielt. Die Kinder schrieen laut auf, der Hofhund fing an zu bellen, er¬ 
schreckt dadurch liefen auch Vater und Mutter an das Fenster. Allein 
der Räuber ließ sich dadurch nicht irre machen; er preßte seine Beute 
zwischen den Fängen, daß das Blut floß und die Federn davon flogen 
und eilte nach dem Garten. Man verfolgte ihn, aber vergeblich. Nur 
die Stelle fand man, wo er seine Beute verzehrt hatte, denn sie war 
mit einem Haufen weißer Federn bezeichnet. 
In höchster Entrüstung kamen die Kinder nach Hause und mach¬ 
ten ihrem Unmuthe durch Klagen über den garstigen Habicht Luft. 
Dadurch entspann sich folgendes Gespräch: 
Vater. Es thut mir leid für euch, daß ihr euer Täubchen ver¬ 
loren habt, aber beruhigt euch! das Unglück ist so groß nicht, ihr habt 
ja noch mehr Tauben. 
Karl. Das ist es auch nicht gerade, was uns so betrübt macht, 
sondern der Gedanke, daß unser Täubchen auf eine so schändliche Weise 
umkommen mußte. 
Vater. Wäre es ihm denn bester gegangen, wenn es in der 
Küche geschlachtet worden wäre? 
Friederike. Es war ja aber auch nicht zum Schlachten bestimmt. 
Vater. Nun gut, so wäre es vielleicht 10 Jahre später vor 
Hunger umgekommen! 
Friederike. Vo-r Hunger? Wir füttern unsere Tauben ja 
täglich. 
Vater. Habt sie aber doch auch schon vergesten. Aber abgesehen 
davon, so kommen die meisten frei lebenden Thiere, auch viele der 
Hausthiere zuletzt vor Hunger um. Wenn Alterschwäche ihnen nicht 
mehr erlaubt ihrem Futter nachzugehen, so verkriechen sie sich in einen 
Schlupfwinkel, und sterben, ohne das man recht weiß, Was aus ihnen 
geworden ist. 
Karl. Das berechtigt aber doch den abscheulichen Habicht nicht, 
unser Täubchen zu morden, das sich noch gerne des Lebens gefreut hätte. 
Vater. Aber der Habicht will sich auch des Lebens freuen und 
dazu bedarf er bisweilen auch eines Täubchens. 
M i n ch e n. Warum hat aber auch der liebe Gott die meschanten 
Habichte geschaffen? 
Vater. Gerade so aus Liebe, wie er uns Menschen geschaffen 
hat. Denn wir entreißen ja auch zahllosen lebenden Wesen, die sich 
noch gern länger ihres Daseins gefreut hätten, ihr Leben, und zwar 
ebenso um unseres Magens willen, wie die Raubvögel. Und der 
Tod durch Menschenhand ist weit qualvoller, als der durch den 
Schnabel eines Habichts. 
Friederike. Ich mag auch keine Tauben schlachten.
	        
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