65
folgende. Einem Bürger, der eine zahme Elster unterhielt, kam kurz
hintereinander viel Silberzeug weg. Der Verdacht fiel auf die Magd
im Hause, und der Mann war so erzürnt, daß er diese dem Gericht
übergab. Da sie leugnete, wurde sie nach damaligem Gebrauche auf
die Tortur gebracht, und gestand hier, um von den unerträglichen Qua¬
len befreit zu werden, daö angeschuldigte Verbrechen ein und wurde
hingerichtet. Ein halbes Jahr nachher aber fanden sich bei der Aus¬
besserung eines alten Daches die sämmtlichen vermißten Gegenstände
in einem Schlupfwinkel der Elster wieder. Der Bürger, welcher seine
Magd angeklagt hatte, war nun außer sich vor Betrübniß und Reue,
und stiftete zu seiner Beruhigung jene Messe für daö unschuldig hin¬
gerichtete Mädchen.
M. Die Eule.
Die Eulen sind mit großem Unrecht verrufene oder gar verfolgte
Vögel. Die meisten von ihnen sind höchst nützlich, der Schaden, welchen
einige bringen, dagegen nichr beträchtlich; und man sollte glauben, die
Menschen müßten sie darum gleich den Störchen in ihren Schutz genom¬
men haben. Aber gerade umgekehrt, weil sie großenteils das Tageslicht
meiden und schauerliche Stimmen ertönen lassen, so hat der Aberglaube
ihnen allerlei angedichtet und sie verhaßt gemacht. Es ist wahr, alle
Eulen haben ein wunderliches Aussehen; einen dicken, katzenähnlichen
Kopf, große, grasse Augen, die Federn reichen fast bis über das Gesicht.
Dazu der stark gekrümmte Schnabel, die scharfen Krallen, und bei einigen
die Federbüschel über beiden Ohren. Kein Wunder, daß Dies den Leuten
grausenhast vorkam. Und nun noch das einsame, lichtscheue Wesen selbst
der am Tage fliegenden Eulen, das weiche, locker abstehende Gefieder,
wodurch sie gleichsam in einen Mantel gehüllt find! Übrigens aber sind
die Farben ihres Gefieders nichts weniger als unangenehm, bei manchen
geradezu schön zu nennen. Eine Eigenheit, die aber freilich nur bei nä¬
herer Betrachtung bemerkt wird, ist die, daß die Eulen eine der 3 Vor¬
derzehen auch nach hinken schlagen und sie also zu je zweien vertheilen
können, wie auch die Papageien und Spechte. Daß sie Raubvögel sind,
erkennt man wohl an ihrem Schnabel und ihren Fängen, allein der
Raub der meisten besteht doch nur in Mäusen, Ratten, Hamstern, Nacht¬
schmetterlingen, Maikäfern u. dgl. Nur die größeren Arten todten auch
junges Wild und Vögel. Geräth eine einrnal in einen Taubenschlag, so
richtet sie allerdings ein Blutbad an. Davor kann man sich aber schützen,
und der Nutzen der Eulen ist so groß, daß man Jeden strafen sollte,
welcher muthwillig eine tödtet, oder zum Triumph sie an ein Scheuerthor
nagelt. Wie weislich der Schöpfer die Eulen mit Demjenigen versehen
hat, was gerade zu ihrer Lebensart paßt, ersieht man daraus, daß ihre
großen unbeweglichen klugen, sie in der Dämmerung und bei Mondschein,
wo sie ihrer Nahrung nachfliegen, desto schärfer sehen lassen; wogegen
sie freilich beim Sonnenschein sich verkriechen und die Augen schließen
müssen. Die Unbeweglichkeit des Auges wird durch desto größere Be¬
weglichkeit des Kopses ersetzt. Bei völliger Dunkelheit können freilich die
Eulen so wenig sehen, als irgend ein Geschöpf; denn zum Sehen bedarf
es Lichtstrahlen. Ferner sind sie mit einem ganz vortrefflichen Gehöre
5