Full text: Deutsche Lyrik des 19. Jahrhunderts

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Martin Greif. 
Sie schütteln ihr lang durchnäßtes Haar 
Und grüßen wie fremde Boten, 
Sie reichen einen Ring mir dar 
Und Grüße von dem Toten, 
Von dir, von dir — ich erwach' und wein' 
Und schlaf' die Nacht nicht wieder ein. 
Es lechzt vielleicht dein heißer Mund, 
Und ich kann dich nicht laben; 
Du liegst vielleicht im Meeresgrund 
Sarglos und unbegraben; 
Ach, daß ich selbst den Trost verlier', 
In Frieden einst zu ruhn bei dir! 
Der Gedanke der Zeit. 
Welchen Gedanken die Zeit 
Einmal erkoren, 
Der ist gefeit und beschworen, 
Und wird ewig wiedergeboren, 
Trotz allem Widerstreit. 
Seine Feinde mühen sich ab, 
Mit Schlingen und Banden, 
Sie machten ihn gerne zuschanden; 
Und wenn er schon längst erstanden, 
Hüten sie noch sein Grab. 
Martin Greif 
(geb. 1839 zu Speier, lebt in München —. 
„Gedichte", 7. Anst. 1903, „Neue Lieder und Mären" 1902) 
Oie einsame Wolke. 
Sonne warf den letzten Schein 
Müd im Niedersinken, 
Eine Wolke noch allein 
Schien ihr nachzuwinken.
	        
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