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Die Kreuzzüge.
um den Leib, auf einen Esel und eilte von Stadt zu Stadt, von
Dorf zn Dorf. Barfuß, mit nie gekämmten, schwarzen Haaren,
iin bloßen Kopfe, das Kruzifix in der Hand, machte er eine wunder¬
liche Figur. Das Volk lief zusammen, wenn es ihn sah, und er
redete begeistert zu der Menge: „Auf ihr Christen,- der Heiland
ruft euch! Ich selbst habe oft gehört, wie aus allen Winkeln der
heiligen Orte der Weheruf ertönte: „Rettet ach rettet uns!" Und
ihr wollt noch säumen, ihr erkvrnen Werkzeuge des Herrn'?"
Peter hatte sich's blos eingebildet, daß der Heiland begehre, die
Christen nachten das heilige Land wiedererobern, aber die Leute
glaubten eö und wurden voll Eifers. Niemand bedachte in der
Zeit, daß die Waffen der Christen geistlich sein, denn man kannte
das Wort Gottes nicht Der Papst berief Jedermann, wer könnte,
nach Clermont in Frankreich zusammen und bewog daselbst die große
Versauimlnng zn einem Kriegszug wider die Türken. Er redete
aber seine eigenen Einfälle und nicht Gottes Wort. ,,Es ist unsere
heiligste Pflicht, sagte er, das heilige Land den Ungläubigen
wieder zu entreißen. Jeder, der mitziehet, wird sich dadurch die
ewige Seligkeit erkaufen; wer aber ohne Grund daheimbleibt,
bringt ewigen Fluch über sich und seine Familie. Auch die Knechte
mögen mitziehen lind an dem heiligen Werke theilnehmen. Von
dem Augenblicke an, da sie mitziehen, seien sie frei!" Solches
. und noch vieles Andere redete der Papst, und alles Volk rief:
„Gott will es, Gott will es!" Wer Lust hatte mitzuziehen, nähte
sich ein rothes, wollenes Kreuz auf die Schulter. Große Haufen
schlechten Gesindels sammelten sich, zogen durch Ungarn, plünderten
überall, namentlich die Juden (weil deren Vorfahren den Herrn
Jesum gekreuzigt hätten) und — wurden beinahe sämmtlich erschla¬
gen. Erst nach der Ernte 1096 kam, ein geordneter Kriegszug, drei-
hunderttausend Mann stark, zu Stande, und der fromme Herzog Gott¬
fried von Bouillon ward der Anführer desselben. Drei volle
Jahre brachte derselbe auf dem weiten Marsche zu, und sein Herr
schmolz in den vielen Kämpfen mit den Ungläubigen, von Hunger
und Pest geplagt, bis auf 40,000 zusammen. Mit unendlichem
Jubel erblickten diese endlich nach dem unsäglich mühevollen Marsche
die Thürme von Jerusalem, von der Abendsonne beleuchtet.
„Jerusalem, Jerusalem!" riefen sie unwillkührlich, und ein freu¬
diger Schauer durchbebte ihre Gebeine. Sie naheten sich der hei¬
ligen Stadt, erstürmten sie, und — erwürgten Alles, was ihnen
vorkam. Die Straßen waren mit Türkenleichen angefüllt, die
Gossen flössen von Meuschenblut. Die Unglücklichen! sie meinten
Gott zu dienen; aber sie kannten seinen Willen, und seine Liebe