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Kanten, und konnten sie ungestört wirken, dann setzten sie mit einer
Genauigkeit die Flächen zusammen, als hätten sie Zirkel und Win¬
kelmaß gebraucht, glätteten mit einer Sauberkeit jede Seite, als sei
eine Schleifmaschine dabei thätig gewesen, verliehen dem Ganzen einen
Glanz, den der geschickteste Künstler nicht nachzuahmen vermag. In
Millionen mal Millionen Exemplaren wiederholt schon ein einziger
Krystallkörper diese Wunder des Mineralreichs, und was die thä¬
tigste Phantasie an Formen hätte ausdenken können, auch das haben
jene Kräfte unbewußt nach dem Willen des Schöpfers vollbracht.
Von der einfachen Form des Würfels mit seinen sechs Flächen stellen
sie alle nur möglichen Krystallsormen dar und schließen noch zur Er¬
haltung derselben nie ruhende Kräfte ein. Der Stein, über den
unser Fuß dahin geht, er hat auch sein Leben. Zwar pulsirt in ihm
kein Herz und kreist in ihm kein Nahrungsstoff; aber in jedem Au¬
genblick kettet eine geheimnißvolle Kraft ein Atom desselben an das
andere, daß er nicht in Staub zerfällt. Aber nicht nur hartes Ge¬
stein ist in der Erde verborgen, es liegt auch eine ganze Thier- und
Pflanzenwelt in ihr vergraben, und der geöffnete Mund der Erde
erzählt von einer untergegangenen Schöpfung, die kein Auge gesehen,
auf daß wir uns beugen vor der Macht dessen, der Berge emporrich¬
tete und Thäler versenkte, der die Feuersiammen zu seinen Dienern
und die Winde zu seinen Boten machte. Da liegen in hartem Ge¬
stein eingebettet: schwimmende und fliegende Eidechsen von abenteuer¬
licher Gestalt, kletternde und grabende Faulthiere von Schrecken erre¬
gender Größe, riesige Elephanten mit gewaltigen Stoßzähnen, Bären
und Hyänen, Flußpferde und Seefische. Selbst auf hohen Bergen,
wo jetzt der Hirt das Rind und die Ziege weidet und der Jäger
das scheue Wild jagt, findet man unter dem duftenden Grase die
Überreste von Seethieren, die einst über diesem Boden in den Fluthen
ihr Wesen trieben. Reiche Ernte hat da der Tod unter großen und
kleinen Thieren gehalten. Ist doch mancher Leichenstein der unterge¬
gangenen Thierleiber so mit dem Fette derselben getränkt, daß er
brennt wie ein Docht, wenn man ihn ins Feuer hält; findet man
doch bei genauer Untersuchung, daß zwei Drittel eines Kreidestücks aus
den kleinen Schalen untergegangener Geschöpfe bestehen. Das Meer
ist der Todtengräber gewesen, und staunend sieht der Mensch die
Knochenleiber in diesen ersten Friedhöfen, wo unter dem heißen
Kampfe aller Elemente die ältesten Leichen bestattet wurden. Auch
Waldungen von üppigem Wüchse und undurchdringlichem Dickicht senkte
das entfesselte Meer ein, als sollten jenen Friedhöfen auch die Trauer¬
weiden und Todteneschen nicht fehlen. Als Steinkohlen graben
wir jetzt diese eingesenkten Wälder wieder aus. In den femschlam-
migen Zwischenschichten derselben findet man noch die Blätter zart und
zierlich abgedrückt und die versteinerten Stämme oft noch senkrecht em¬
porstehen. So üppig aber auch der Wuchs jener Wälder gewesen
sein mag, so einförmig und öde standen doch viele von ihnen da.