Full text: Zunächst für die unteren und mittleren Klassen der Gymnasien, mit Rücksicht auf schriftliche Arbeiten der Schüler (Theil 1, [Schülerband])

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485. Im Verglänzen der Morgensterne. 
(Sestine; gleiche Schlußwörter in allen Strophen mit veränderter Stellung.) 
' Wie Viele gab ich wieder an den Himmel, 
Seit ich hier wand'le auf der schönen Erde! 
Ich seh's, sie bleiben aus von Tag zu Tage; 
Vergebens blick' ich Nachts zu jenen Sternen, 
Und nicht enträthseln kann ich diese Wunder, 
Die widerfahren sind der frommen Seele. 
Warst du denn immer einsam, liebe Seele? 
O nein! Nicht längst erst kehrten sie zum Himmel, 
Vor meinen Augen selbst geschahn die Wunder; 
Wir wanderten zugleich auf dieser Erde, 
Wir blickten Nachts zugleich zu jenen Sternen — 
O, wie so falsch sie sind, die Hellen Tage! 
Die Todten bleiben aus von Tag zu Tage — 
Zu hoffen hört nicht, auf die treue Seele; 
Der Abend kommt mit seinen schönen Sternen, 
Die Sonne steigt empor am Rosenhimmel, 
Die tausend Blumen kehren auf die Erde — 
Und in den Wundern hofft die Liebe Wunder. 
Und nimmt dein Schicksal denn so sehr dich Wunder? 
Aus sonnigen: Gespinnst bestehn die Tage, 
Und immer Sterbliche nur trug die Erde! 
Doch unsichtbare Schwingen hat die Seele; 
Sieh, fertig schon umwölbt auch dich der Himmel! 
Und schon bestrahlt dich Glanz von jenen Sternen! 
Und weinst du nur zu den geweihten Sternen? 
Geschehn nicht unaitfhörlich alle Wunder? 
Seit jener Zeit geschlossen wär' der Himmel? — 
' Gedulde dich noch gern die kurzen Tage, 
O allzu treue, allzu bange Seele, 
Dann senkt man dies Gebein auch in die Erde. 
Dann lebe wohl, du neugeschmückte Erde! 
Du lebe wohl, o Nacht, mit deinen Sternen, 
In heil'gen Schlaf versenkt, entschwebt die Seele. — 
Doch leb' ich noch, und faffe kaum die Wunder. 
Wie Taubenflügel, angepflanzt vom Tage, 
Dehnt seine Morgenwolken aus der Himmel. 
Wie stärkt die Nacht mit Glauben an den Himmel! 
Ach, welche Liebe flammt sie in die Seele, 
Und welche Hoffnung traust wie Thau zur Erde. 
Schefer.
	        
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