Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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bindet und so das Gestein durchbricht, verfolgt er nach allen Richtungen 
die Mineral- und Erzgänge, welche sich durch das taube Gestein 
dahinziehen. Über sich hat er das Hangende, unter sich das Liegende 
der Gesteinmassen. 
Der Bergmann fährt zu Berg, wenn er in den Schacht an stei¬ 
len Leitern hinabklettert oder an einem Seile hinuntergelassen wird; er 
fährt zu Tage, wenn er den umgekehrten Weg macht. Die Berg¬ 
werke sind oft von erstaunlicher Ausdehnung; denn es giebt Schächte, 
die an 3000 Fuß tief sind, und sich 1300 bis 1600 Fuß unter die 
Meeresoberfläche erstrecken. Noch bedeutender ist die Länge der Stollen: 
der Georgs-Stollen auf dem Harze ist drei Stunden lang, der Christophs- 
Stollen im Salzburgischen 10,500 Fuß lang. Die Stollen sind meistens 
so hoch, daß darin ein Mann gehen kann, oft jedoch auch recht niedrig 
und nur in gebückter oder kriechender Stellung zugänglich. 
In seinem Beruf hat der Bergmann nächst dem Seefahrer neben 
vielen Beschwerden wohl die meisten Gefahren zu bestehen. Es giebt 
Bergwerke, wo von 10,000 Arbeitern im Durchschnitt jährlich sieben 
durch Unglücksfälle das Leben einbüßen, und gegen 200 mehr oder 
weniger am Körper beschädigt werden. In andern sollen sogar von 
250 Arbeitern jährlich 12 bis 16 umkommen. Bald ist es das Was¬ 
ser, welches von der Seite oder aus der Tiefe andringt, bald sind es 
die Schwaden oder schlagenden Wetter, die sich entzünden, heftige 
Erschütterungen hervorbringen und die Bergleute todten, oder es sind 
erstickende Gase (Lustarten), die plötzlich aus geöffneten Spalten 
hervordringen und die Arbeiter ersticken. 
Dieses alles hat dann, namentlich in frühern Zeiten, bei den Berg¬ 
leuten eine reiche Quelle zu Aberglauben, zu vielerlei Sage und 
Dichtung gegeben. Da erzählen sie denn von manchen neidischen 
Berggeistern, Zwergen und Kobolden, die in den Berghöhlen 
das Erz und die Schätze bewachen, dieselben den Menschen mißgönnen, 
daher den Bergmann vielfach an der Arbeit hindern' und ihm viel 
Übles zufügen. Auch glauben andere wieder, daß wohlthätige Feen 
und Geister ihnen helfen. Allein der fromme und erfahrene Bergmann 
weiß wohl das Mährchen und die Sage von der Wahrheit zu 
unterscheiden, und indem er, geleitet durch die Wissenschaft und durch 
die Erfahrung, die Gefahren zu vermeiden sucht, vertraut er auf Gott, 
den Schutz und Hort aller Menschen, und betet zum Herrn jedesmal, 
wenn er zu Berge fährt — und ruft seinem Kameraden, der ihm begeg¬ 
net, einen muntern Gruß zu, daher denn 
\ „Ungestört ertönt der Berge 
Uralt Zauberwort: Glück auf!"
	        
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