__- 315 _ . ■ . ■
Auf Wunsch der Kaiserlichen Marine kann der Schnelldampfer auch
mit Kanonen besetzt werden, damit er in Kriegszeiten als Hilfs¬
kreuzer dienen könne.
Jetzt fahren Tausende von Dampfschiffen durch die ungeheure
Wasserwüste der Meere, durch Stürme und widrige Winde, sowie
durch nicht minder gefährliche Windstillen rascher und sicherer als
die Segelschiffe, die fast nur noch im Dienste des Warenverkehrs stehen.
2. Die Eisenbahnen und der Weltverkehr.
Wir haben jetzt Eisenbahnen über schmale Meeresarme in Schott¬
land und durch sandige Wüsten, wie z. B. zwischen Alexandrien und
Suez; sie durchschneiden die Lagunen von Venedig, erklimmen hohe
Berge, wie Rigi und Vesuv, und überklettern Alpenpässe; sie rollen
durch die weite Prärie und durch den tropischen Urwald. In Berlin
geht die Stadt- und Ringbahn hoch über dem Menschenverkehre hin;
in London durchbraust der Zug die Tunnel unter der Themse, ja
man hat sogar den kühnen Plan gefaßt, einen Tunnel unter
dem Meere zwischen England und Frankreich anzulegen, um so der
Lokomotive einen Weg nach dem Festlande zu bahnen.
In Europa können wir bereits ununterbrochen von Madrid bis
nach Konstantinopel gelangen und von Brindisi in Süditalien bis
nach Petersburg. Rußland arbeitet daran, sein Schienennetz von
der Wolga bis nach der Mandschurei auszudehnen. Die Pyrenäen,
der Brenner und der Semmering sind schon überschient; der Mont-
Cenis-Tunnel durchbricht die Westalpen, seit 1882 ist in einer Länge
von zwei Meilen der St. Gotthard durchtunnelt und neuerdings
auch der Simplon durchstochen worden.
Der Gotthard-Tunnel gehört zu den größten Wunder¬
werken der Neuzeit. Louis Favre, eines Zimmermanns Sohn
und von Hause aus selbst nur ein Zimmermann, heißt der kühne
Mann, der dieses Riesenwerk in nur acht Jahren ausgeführt hat,
und zwar mit einem Kostenaufwande von etwa 200 Mill. Franken.
Dieser Tunnel, der bei Göschenen in der Schweiz einmündet und bei
Airolo in Italien wieder ans dem Schoße des ungeheuren Alpen¬
berges heraustritt, verbindet Deutschland und die Schweiz direkt mit
Italien und hat den Verkehr zwischen diesen Ländern bedeutend er¬
höht. Bevor die Bahnlinie den Tunnel erreicht, führt sie über die
kühnsten Brücken, die schäumende Gebirgswasser und Hunderte von
Metern tiefe Schluchten überspannen, hinweg, muß sie durch ver¬
schiedene Kehrtunnel allmählich die Talstufe ersteigen und in großen
Windungen an steilen Felswänden emporklettern. Die Kehrtunnel
sind kleinere Tunnel, die in die Talwand eindringen, innerhalb des