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Im Magdalenenthurme —
Da hängt das Meisterstück,
Rief schon manch starres Herze
Zu seinem Gott zurück.
Wie hat der gute Meister
So treu das Werk bedacht,
Wie hat er seine Hände
Gerührt bei Tag und Nacht!
Und als die Stunde kommen,
Daß alles fertig war,
Die Form ist eingemauert,
Die Speise gut und gahr:
Da ruft er seinen Buben
Zur Feuerwacht herein:
„Ich lass' ein kleines Weilchen
Beim Kessel dich allein;
Will mich mit einem Trünke
Noch stärken zu dem Guß,
Das gibt der zähen Speise
Erst einen rechten Fluß.
Doch hüte dich und rühre
Den Hahn mir nimmer an,
Sonst ist es uni dein Leben,
Fürwitziger, gethan."
Der Knabe steht am Kessel,
Schaut in die Gluth hinein:
Das wogt und wallt und wirbelt,
Und will entfesselt sein.
Und zischt ihm in die Ohren,
Und zuckt ihm durch den Sinn,
Und zieht an allen Fingern
Ihn nach dem Hahne hin.
Er fühlt ihn in den Händen,
Hat schnell ihn umgedreht,
Da wird ihm angst und bange,
Er weiß nicht, was er thät.
Und läuft hinaus zum Meister,
Ihm alles zu gestehn,
Will seine Knie umfassen
Und ihn um Gnade flehn.
Doch wie der nur vernommen
Des Knaben erstes Wort,
Da reißt die kluge Rechte
Der jähe Zorn ihm fort. -
Er stößt sein scharfes Messer
Dem Buben in die Brust;
Dann stürzt er nach dem Kessel,
Sein selber kaum bewußt.
Vielleicht, daß er noch retten,
Den Strom noch hemmen kann;
Doch sieh, der Guß ist fertig,
Es fehlt kein Tropfen dran.
Der Knabe liegt am Boden,
Er scbaut sein Werk nicht mehr.
Ach Meister, wilder Meister,
^Du stießest gar zu sehr!
Da eilt er ab zu räumen,
Und sieht und wiU's nicht sehn,
Ganz ohne Fleck und Makel
Die Glocke vor sich stehn.
Er stellt sich dem Gerichte,
Er klagt sich 'selber an,
Es thut den Richtern wehe
Wohl um den klugen Mann.
Doch keiner kann ihn retten,
Denn Blut will wieder Blut.
Er hört sein Todes-Urtheil
Mit ungebeugtem Muth.
Und als der Tag gekommen,
Daß man ihn führt hinaus,
Da wird ihm angeboten
Der letzte Gnadenschmaus.
„Ich dank' euch," spricht der Meister,
„Ihr Herren, lieb und werth;
Doch eine andre Gnade
Mein Herz von euch begehrt:
Laßt mich nur einmal hören,
Der neuen Glocke Klang;
Ich hab' sie ja bereitet,
Möcht' wissen, ob's gelang." —
Die Bitte ward gewähret,
Sie schien den Herr'n gering;
Die Glocke ward geläutet,
Als er zum Tode ging.
Der Meister hört sie klingen,
So voll, so hell, so rein;
Die Augen gehn ihm über,
Es muß vor Freude sein.
Und seine Blicke leuchten,
Als wären sie verklärt;
Er hatte in dem Klange
Wohl mehr als Klang gehört!
Hat auch geneigt den Nacken
Zum Streich voll Zuversicht:
Und was der Tod versprochen,
Das bricht das Leben nicht.
Das ist der Glocken Krone,
Die er gegossen hat,
Die Magdalenenglocke
Zu Breslau in der Stadt.
Die ward zur Sünderglocke
Seit jenem Tag geweiht;
Weiß nicht, ob's anders worden
In dieser neuen Zeit.
(W. Müller.)