Full text: Hannoverscher Kinderfreund

12 
was Anständiges und Gutes thun sollen; aber sich nicht 
schämen, etwas Unanständiges oder Unrechtes zu thun; 
ja wol gar sich rühmen, Etwas gethan zu haben, was 
unerlaubt und schändlich ist. Solch ein Mensch war 
Philipp, der Sohn eines Kaufmanns. Er schämte sich 
nicht, auf der Straße ungezogen und wild zu sein, zu 
toben und zu lärmen, und sich mit seinen Gespielen her¬ 
um zu balgen; er schämte sich nicht, diejenigen auf eine 
höchst gemeine Art zu schimpfen; welche ihm auf irgend 
eine Weise zu nahe kamen; ja er rühmte sich sogar ein¬ 
mal, daß er einen seiner Mitschüler, der ihm nicht aus 
dem Wege gegangen sei, geschlagen und auf die Erde ge¬ 
worfen habe. Waren denn dies wirklich rühmliche Hand¬ 
lungen ? Einst war Philipp gegen seinen Lehrer trotzig 
und widerspenstig gewesen. Sein Vater erfuhr es; denn 
er hatte sich seines Trotzes schamlos gerühmt, als ob er¬ 
gänz recht daran gethan hätte, sich seinem Lehrer zu wider¬ 
setzen. Philipp sollte nun, auf Befehl seines Vaters, dem 
Lehrer Abbitte thun, und Besserung versprechen; aber 
dazu war er nicht zu bewegen: er schämte sich, sein 
Unrecht wieder gut zu machen; und meinte, daß es doch 
eine gar zu große Schande sei, wenn er Abbitte thun 
solle; er wolle sich lieber jeder andern Strafe unterwerfen, 
wenn sie auch noch so hart sei. Wie gefällt euch dieses 
Betragen? Glaubt ihr wol, daß es nachahmungswürdig 
sei? Philipp mußte sich freilich zuletzt zur Abbitte entschlie¬ 
ßen; aber er that es mit einem solchen Widerwillen, als 
ob es eine schändliche Handlung wäre, das Böse, was 
man gethan hat, wieder gut zu machen. Was würdet ihr 
gethan haben, wenn ihr an seiner Stelle gewesen wäret? 
Anton, der Bruder dieses Philipps, hatte zwar eine 
bessere Gesinnung; aber er schämte sich auch zuweilen, wo 
er sich nicht zu schämen brauchte. Er hatte z. B. einmal 
in der Schule eine schöne Erzählung auswendig lernen 
müssen; nun sollte er vortreten und sie vor seinen Mit¬ 
schülern hersagen, weil er nicht nur sehr deutlich, sondern 
auch in dem rechten Tone Etwas zu lesen wußte. Aber 
er schämte sich, und wollte anfangs durchaus nicht vor¬ 
treten ; obgleich er sonst seinem Lehrer gehorsam war.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.