Full text: Der kleine deutsche Jugendfreund

— 39 — 
seines Lebens vorkommenden Erscheinungen noch beträcht¬ 
lich geschärft und vermehrt, und traf nun in seinen Ur¬ 
theilen und Rathschlägen meist den rechten Punkt, oder 
wie er sich auszudrücken pflegte, den Nagel aus den Kopf. 
Die große Kälte des verflossenen Winters nöthigte ihn, 
seinen Dienst aufzugeben. Er that es höchst ungern, und 
klagte mir, als ich ihn bald daraus besuchte, mit Thrä¬ 
nen in dem Auge, wie es gar nicht mehr recht mit ihm 
fort wolle, und wie er seiner vorgerückten Jahre und der 
damit verknüpften Gebrechlichkeit halber ein Amt habe 
aufgeben müssen, das er nun beinahe vierzig Jahre lang 
mit besonderem Wohlgefallen treulich verwaltet habe. 
Der Nachtwächter, sagte er, hat einen herrlichen Beruf! 
Es ist ein eigenes, ich möchte fast meinen, himmlisches 
Gefühl, für die Sicherheit eines ganzen Dorfes, das sich 
dem Schlummer sorglos überläßt, wachen zu können! 
Man lernt sich dabei als einen Diener des Höchsten be¬ 
trachten, der seine Wächter, den Mond und die Sterne, 
auch an dem Himmel ausgestellt hat, und sie rastlos auf 
und ab wandeln heißt um die Erde. Dann singt man 
sein Lied noch um eins so hell und freudig, und schauet 
allerwärts umher, daß kein Dieb schade, noch das Feuer 
verderblich um sich greife. So läßt sich manchem Unglück 
vorbeugen, mancher Gefahr im Entstehen abwehren. 
Mir hat der .Herr während meiner Dienstzeit die besondere 
Gnade erwiesen, daß ich zu verschiedenen Malen nächt¬ 
lichen Einbruch und F-euersgesahr verhüten konnte, und 
cs läßt sich nicht dankbar genug rühmen, daß unser Dörf¬ 
chen seither so väterlich bewahrt worden ist. — So dachte 
unser Martin von seinem Berufe, so schön und wichtig 
kam ihm derselbe vor, und es fiel mir oft dabei ein, dass 
es wohl bl-sser um die Menschheit stehen möchte, wenn 
sich ein Jeder des gewählten oder ihm angewiesenen
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.