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sie aus einer so entsetzlichen Ferne solche Kraft des Lichts und der Wärme noch auf
die Erde ausübt, und alles senget, was ihr Antlitz beschnitt? Der Durchmesser der
Sonne ist einhuiidertzwölfmal größer, als der Durchmesser der Erde. Aber im Kör¬
permaß beträgt ihre Masse fast anderthalbmillionenmal so viel als die Erde. Wenn
sie hohl wäre inwendig, so hätte nicht nur unsere Erde in ihr Raum, auch der Mond,
der doch fünfzigtausend Meilen von uns absteht, könnte darin ohne Anstoß auf- und
untergehen; ja er könnte noch einmal so weit von uns entfernt sein, als er ist, und
doch ohne Anstoß um die Erde herumspazieren, wenn er wollte. So groß ist die
Sonne und geht aus der nemlichen allmächtigen Hand hervor, die auf der Erde das
Magsamen- oder Mohnsamenkörnlein in seiner Schale bildet und zur Reise bringt,
eins so unbegreiflich, wie das andere.
Lange nun glaubten selbst die gelehrtesten Sternforscher, diese ganze unerme߬
liche Sonnenmasse sei nichts anderes, als eine glühende Feuerkugel durch und durch.
Nur konnte keiner von ihnen begreifen, wo dieses Feuer seine ewige Nahrung saßt,
daß es in tausend Jahren nicht abnimmt, und zuletzt wie ein Lämplein verlöscht.
Deßwegen will es nun heutzutage den Sternforschern und andern verständigen
Leuten scheinen, die Sonne könne an sich wohl, wie unsere Erde, ein dunkler und
bewohnbarer Weltkörper sein. Aber wie die Erde ringsum mit erquickender Lust
umgeben ist, so umgibt die Sonne ringsum das erfreuliche Licht; und es ist nicht
nothwendig, daß dasselbe auf dem Sonnenkörper selbst eine unausstehliche, zerstörende
Hitze verursachen müsse, sondern ihre Strahlen erzeugen die Wärme und Hitze erst,
wenn sie sich mit der irdischen Lnst vermischen, und ziehen dieselbe gleichsam ans
den Körpern hervor. Denn daß die Erde eine große Masse von verborgener Wärme
in sich selbst hat, und nur auf Etwas warten muß, um sie von sich zu geben, das ist
daran zu erkennen, daß zwei kalte Körper mitten im Winter durch anhaltendes Rei¬
ben zuerst in Wärme, hernach in Hitze, und endlich in Glut gebracht werden kön¬
nen. Und wie geht es zu, je weiter man an einen hohen Berg hinaufsteigt, und je
näher man der Sonne kommt, daß man immer mehr in die Hände hauchen muß
und zuletzt vor Schnee und Eis nimmer weiter kommt, fragen die Naturkundigen,
wenn die Sonne ein sprühendes Feuer sein soll?
Also wäre es wohl möglich, daß sie an sich ein fester, mit mildem Licht um¬
flossener Weltkörper sei, und daß auf ihr Jahr aus Jahr ein wunderschöne Pfingst-
blumen blühen und duften, und statt der Menschen fromme Engel dort wohnen, und
ist dort, wie im neuen Jerusalem, keine Nacht und kein Winter, sondern Tag, und
zwar ein ewiger, freudenvoller Sabbath und hoher Feiertag.
Nachdem in dem Bisherigen zuerst von der Erde und hernach von der Sonne,
jede für sich, geredet worden ist, so wollen wir nun noch mit wenigem hören, wie sie
unter einander in guter Freundschaft leben, und wie ans ihrer Liebe zu einander
Tag und Nacht, Märzveilchen, Erntekränze, Wein und gefrorene Fensterscheiben
entstehen.
Da die unermeßlich große Sonne in einer so unermeßlich weiten Entfernung von
uns weg ist, so hat es den Sternforschern schon lange nicht mehr einleuchten wol¬
len, daß sie unaufhörlich und je in vierundzwanzig Stunden um die kleine Erde
herumspringen soll in einer unbegreiflichen Kraft und Geschwindigkeit, nur damit
wir in diesem kurzen Zeitraum einmal Morgen und Mittag, Abend und Nacht be¬
kämen, und wandelnde Sterne. Denn die Naturknndigen haben sich überzeugt, daß
Alles, was geschieht, auf eine viel einfachere nnd leichtere Art auch geschehen könnte.