147
i
'
Musicam habe ich allezeit lieb gehabt. Wer diese Kunst kann,
der ist guter Art, zu allem geschickt. Man muß Musicam von Noth
wegen in Schulen behalten. Ein Schulmeister muß singen können,
sonst seh ich ihn nicht an.
Die Musica ist eine schöne, herrliche Gabe Gottes und nahe der
Gottesgelehrsamkeit; sie hat mich oft also erwecket und beweget, daß
ich Lust zu predigen genommen habe. Ich wollte mich meiner gerin¬
gen Musica nicht um was Großes verzeihen. Die Jugend soll man
stets zu dieser-Kunst gewöhnen; denn sie macht feine, geschickte Leute.
75. Von der Mannigfaltigkeit der Töne.
Um uns eine Vorstellung zu machen von der fast ins Unendliche gehenden
Mannigfaltigkeit der Töne, wollen wir zuerst eine Reihe von Wörtern nennen, die
nicht bloß willkürliche Ausdrücke für die betreffenden Töne, sondern den Naturlauten
nachgebildet sind und darum zugleich ein Zeugniß geben von dem Reichthum und
der Biegsamkeit unserer Muttersprache.
Solche Wörter sind: ächzen *), athmen , bellen , blasen, blöcken , brausen,
brüllen , brummen, donnern, flüstern, gackern, girren, glucksen, grillen, grunzen,
gurgeln, hauchen, heulen, husten, jauchzen (juchzen), keuchen, klappern, klatschen,
klingen, klingeln, klirren, knallen, knarfeln, knirsen, knirschen, knistern, knurren,
krachen, krähen, krächzen, kratzen, kreischen, kritzeln, lallen, lispeln, mauen, meckern,
murmeln, murren, näseln, patschen, pfeifen, picken, plärren, Platzen, poltern, prasseln
(pratzeln), puffen, pumpen, pusten, quacken, rallen**), rasseln, rätschen, rauschen,
räuspern, röcheln, rollen, rumpeln, rutschen, sausen, säuseln, scharren, schlarfen,
schlürfen, schluchzen, schmatzen, schmettern, schnalzen, schnarchen, schnarren, schnat¬
tern, schnauben, schnüffeln, schreien, schrillen, seufzen, sprudeln, stöhnen, stottern,
summen, sumsen, surren, tappen, trappen, trippeln, wetzen, wiehern, wimmern,
winseln, wispern, zischen, zwitschern.
Es sind aber diese Töne bei weitem nicht die einzigen, die wir zu unter¬
scheiden vermögen; vielmehr sind mit den Arbeiten der Handwerker, mit den Be¬
wegungen der Menschen und Thiere gewisse Töne verbunden, die so eigenthümlich
find, daß wir, ohne Beihülse des Gesichts, die Art der Bewegung oder der Be¬
schäftigung aus ssem Ton genau bestimmen können. Wir hören klopfen, klöpfeln
sägen, feilen, raspeln, spalten, hacken, dreschen, Futter schneiden, hobeln, fahren,
reiten; wir unterscheiden mit dem Gehör, ob man schnell oder langsam reitet und
fährt, ob der Wagen leicht oder schwer, leer oder beladen, ob der Boden, auf
dem man fährt, hart oder weich, gefroren oder schmutzig ist; wir unterscheiden
beim Sägen, wenn das Holz bald durchgesägt ist, beim Klopfen, ob man auf
Holz oder Eisen, auf etwas Dichtes oder Hohles klopft, ob die Geschirre des
Töpfers hart oder weich gebrannt, ob nicht versteckte Sprünge oder Risse an den¬
selben find u. s. w. Es müssen asso alle diese Töne etwas Eigenthümliches haben,
wenn wir gleich dieselben mit keinem besonderen Wort näher bezeichnen können.
*) Statt: ad) I hört man im Volk den Seufzer: au! in Oberschwaben: nun! daher: annzgcn.
**) Rallen vom Ton des Katers, daher: Rälling.
10