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Chinesen mit plattgedrücktem Gesicht, schiefliegenden, enggeschlitzten Angen und
hervorstehenden Backenknochen!
Wie die Menschenwelt zeigt auch die Thier- und Pflanzenwelt die man¬
nigfaltigsten Formen. Es ist, als ob die Natur ihren Erstgeborenen als Vor¬
bild für alle anderen Welttheile ausgestattet und den Reichthum Aller in Asien
vereinigt hätte. Im hohen Norden, bei fast ewigem Winter ist kaum noch ein
Moos oder eine Flechte, seltener noch ein Strauch; nur Seehunde und Eis¬
bären bewohnen die eisige Küste. Weiter ins innere Land des Nordens kom¬
men die Pelzthiere, welche als Jagdwild auch den Menschen in die unwirth-
lichen Gegenden ziehen und ihm Schutz vor dem Winterfrost gewähren. In
Mittelasien wechseln Salzsteppen und Sandwüsten mit den schönsten Grasebe¬
nen, auf denen das wilde Pferd oder vielmehr das Maulthier mit hirschartigem
Halse, Dschiggetai genannt, sich tummelt. In den schönen Hochthälern des
Himalayagebirges, des höchsten Gebirges der Erde, wollen Reisende unsere Ge¬
treidearten wild wachsend und darum in jenen Thälern die Heimat jener Ge¬
treidearten gefunden haben. Steigt man dann aber bis zu den südlichen Halb¬
inseln und Inseln hinab, so zeigt sich die üppigste Fülle der gewürzreichsten
Früchte; in den dichtverschlungenen Wäldern brechen Elephantenheerden sich
Bahn und im sumpfigen Rohr lauert der Tiger auf seine Beute. Der heiße
Gürtel Asiens hat uns den Kaffeebaum und das Zuckerrohr geschenkt, welche
dann mit den Völkern nach Westen gewandert sind; die Glut der Sonne ver¬
edelt die Pstanzensäfte zu Gewürzen, Balsam und Heilmitteln aller Art. Kein
Land bietet eine größere Auswahl von Fruchtbäumen dar; alle unsere edlen
Obstsorten stammen aus Persien, Syrien, Kleinasien. In Hindostan blüht die
Königin der Palmen, die Kokospalme, eine schlanke, vierzig bis fünfzig Fuß
hohe Säule, mit einem sich wiegenden grünen Blätter-Gewölbe, mit Blüthen
und Nußtrauben Jahr aus Jahr ein. Neben dieser Fürstin stehen als Vasallen
die Wein-, Areca-, Sago-, Dattel- und Schirmpalmen, und die dem Hindu hei¬
lige Baniane, deren Aeste sich in einem rechten Winkel zur Erde senken und
aus dieser wieder einen neuen Stamm treiben, so daß ein einziger Baum in ge¬
wisser Zeit einen ganzen Wald zu schaffen vermag. Ein berühmter Baum oder
Baumwald dieser Art ist nordöstlich von der indischen Stadt Surate; häufig
nehmen Karavanen oder Hirten mit ihren Heerden unter ihm ihr Obdach, und
Truppen, 6000 — 7000 Mann stark, finden unter ihm noch heute auf ihren
Märschen das erwünschteste Lager, die herrlichste Kühlung.
Diese Mannigfaltigkeit der Menschen-, Thier- und Pflanzenwelt läßt den
Beschauer bei den verschiedenen Landschaften Asiens allemal wie vor einem
neuen Bilde staunend stehen. Dort erhebt sich der hohe Kaukasus, der mit sei¬
nen kühnen und kräftigen Räubervölkern drohend ins europäische Rußland hin-