238
wirklich nach alten Aussagen und Zeugnissen ehedem näher am Meer gelegen haben,
als jetzt, z. B. Danzig. Aber andere, und eben so gründliche Naturforscher haben
bewiesen, daß dieses nur an manchen Meeren und an manchen Oertern so erscheine,
und daß das Meer im Ganzen seit Jahrtausenden weder um ein Merkliches ange¬
wachsen sei, noch abgenommen habe.
Es scheint also, daß jene große Veränderung, wodurch viele unserer Länder
und Berge vom Meer verlassen und zum festen Lande wurden, durch ein oder mehrere
gewaltsame Erhebungen und Senkungen bewirkt worden sei. Doch ist das nicht die
einzige Veränderung, die mit unserem Erdboden vorgegangen sein muß. In Würt¬
temberg bei Cannstatt, in Thüringen bei Burgtonna, in Braunschweig und an andern
Orten Deutschlands, ferner in Frankreich, im nördlichen Amerika und sogar in dem
kalten Sibirien hat man Knochen ausgegraben von Elephanten, Nashörnern und an¬
dern ähnlichen Thieren. An den nemlichen Orten findet man auch Palmen, Bam¬
busrohr und andere Gewächse aus warmen Ländern. Diese Thiere und Pflanzen,
die oft mit einander, wie noch in ihrem jetzigen Vaterland, vorkommen, müssen ein¬
mal in jenen jetzt so kalten Ländern gelebt haben. Es muß also da einmal wärmer
gewesen sein, als es jetzt ist.
Die Knochen oder andere Ueberreste von Thieren der Vorwelt, die man in allen
Theilen der Erde, am häufigsten aber in den nördlichen Gegenden gefunden hat,
gehören fast alle zu den jetzt lebenden Thiergeschlechtern, nur sind sie zum Theil
größer als die jetzigen, oder weichen auch in der Gestalt von ihnen ab. So hat
man die meisten Gattungen der Säugethiere gesunden, an einzelnen Orten
selbst Ueberreste von Affen. Sehr verschieden von den jetzt lebenden Säugethieren
waren: der Mammuth, eine große Elephantenart mit laugen Mahnen; das Niesenelen,
das zentnerschwere Geweihe hatte. Noch verschiedener von den gegenwärtigen Thier¬
geschlechtern war das Ohiothier (es hat seinen Namen vom Ohiofluß
in Nordamerika, wo man es fand). Es war so hoch, aber länger als unsere größten
Elephanten, hatte große Stoßzähue, aber auch zackige Backenzähne und war mit
langen Haaren bedeckt. Das Niesenfaulthier muß auch ein gar besonderes Thier
gewesen sein. Es war von der Schnauze bis zum Rücken zwölf Fuß laug und sechs
Fuß hoch; sein Kopf gleicht dem unserer Faulthiere. Dabei hat es lange und scharfe
Klauen, daher man es auch Großklauenthier heißt.
Ueberreste von Vögeln der Vorwelt hat man im Ganzen nur wenig gefunden;
in größerer Menge aber die Amphibien, und darunter vier und zwanzig Fuß lange
Eidechsen (in den Niederlanden bei Mastricht); ferner Krokodile, so groß und noch
größer, wie die noch jetzt lebenden im Nil und Ganges. — Fische gab es in der Vor¬
welt wahrscheinlich von allen jetzt lebenden Arten; doch hatte man auH Haifische, die
von ungeheurer Größe gewesen sein müssen, denn ihre Zähne waren vier bis fünf
Zoll lang und fünf Zoll breit, der Fisch also wohl siebzig Fuß lang. — Der
Ueberreste von Insekten sind verhältnißmäßig wenig (doch im Bernstein allein gegen
700 Arten), in desto größerer Menge aber die der Schalthiere.
An manchen Orten, wie z. B. in Sibirien hat man Säugethiere der Vorwelt
noch mit Haut und Haaren und Fleisch gefunden, welches Hunde und Wölfe noch
gerne fraßen. Es muß also die große Veränderung, wodurch es nach den Polen
unserer Erde so kalt wurde, wie es jetzt ist, noch nicht viel Jahrtausende her und
plötzlich entstanden sein; denn nur in einem sö kalten Laude wie Sibirien konnte sich
das Fleisch solcher Thiere der Vorwclt so nnverwest erhalten.