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reien und Trinkgelage, und ihr Gerstensaft durfte auch bei ihren öffent¬
lichen Berathungen nicht fehlen. Das Spiel liebten manche so leidenschaft¬
lich, daß sie darüber Hab und Gut, und endlich gar ihre Freiheit ver¬
spielten. Sie waren auch nicht die pünktlichsten, wenn eine Volksver¬
sammlung zusammenberufen war, und ließen gerne auf sich warten; Feh¬
ler, von denen leider! heute noch mancher im deutschen Blute liegt, und
doch endlich daraus vertrieben werden sollte.
Das Nemliche gilt von ihren oftmaligen Uneinigkeiten und Fehden
unter einander. Wenn keine Ursache zu Fehden war, so suchte man sie
bei andern Stämmen. Greulich ist es zu sagen, daß sie dann Hirn¬
schädel erschlagener Helden als Schale fassen ließen und bei ihren rohen
Festen Bier oder Most daraus tranken.
Daß unsere deutschen Voreltern bei allerlei löblichen Sitten und
Gewohnheiten doch auch so manche schlimme hegten, wird uns nicht
wundern, wenn wir bedenken, daß sie noch mehrere Jahrhunderte nach
Christi Geburt Heiden gewesen sind. Sie verehrten die Sonne und den
Mond, ferner Bäume, Hügel, Flüsse, Thäler; diesen oder vielmehr den
unsichtbaren Wesen, die sie sich dabei dachten, opferten sie Pferde und
andere Thiere. Wodan oder Odin, Thor, Freia oder Frigga waren
Hauptgottheiten der alten Deutschen. Vom Thor, dem Donnergott, soll
der Donnerstag, von der Freia, der Göttin der Erde, der Freitag seinen
Namen haben. Sie unterhielten für ihre Götter heilige Haine. An den
Opferstätten wurden die Gaben der Erde, Erstlinge der Früchte, unge¬
säuerte Kuchen und Kessel voll Biers dargebracht; doch waren die mei¬
sten Opfer blutig. Bei den Franken und Alemannen wurden hauptsäch¬
lich Thierhäupter auf den Altar gelegt, aus deren Gehirn die Priester
weissagten; doch auch Menschenopfer dauerten fort bis zur Einführung
des Christenthums. Bei den Friesen herrschte, wie bei den heidnischen
Bewohnern der Südseeinseln, die unmenschliche Sitte, daß Mütter, welche
etwa zu viele Kinder (besonders eines Geschlechts) zu haben glaubten,
ein neugeborenes, ehe es Nahrung empfangen hatte, den Göttern opfern,
d. h. tödten durften. Die Sachsen pflegten je den zehnten Gefange¬
nen durchs Loos zum Opfer zu bestimmen. Bet den Herulern mußten
sich die Weiber an dem Grabe des verstorbenen Gatten selbst das Leben
nehmen, um ihm in das andere Leben, das sie nach dem Tode glaubten,
nachzufolgen; thaten sie das nicht, so waren sie ihr Leben lang verach¬
tet. Dies ist ebenso bei den Heiden in Ostindien noch zuweilen der Fall.
Den Abgeschiedenen wurden ihre Waffen und was ihnen sonst das liebste
war, in das Grab gelegt, damit sie in Walhalla (dem vermeintlichen