Full text: Lesebuch für die evangelischen Volksschulen Württembergs

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zeuge gewesen im Plane der Vorsehung znr Veredlung der Menschen. Ein solcher 
Entdecker war auch Christoph ColumbuS. Er hieß eigentlich Colombo und 
war im Jahr 1435 oder 1436 zu Genua in Italien geboren. Sein Vater war ein 
rechtschaffener, aber armer Mann und ernährte sein Weib und seine vier Kinder 
mit Wvllekämmen. Dennoch sparte er, so weit seine Mittel reichten, nichts an der 
Erziebung seiner Kleinen, und Christoph, sein ältester, durfte lesen und schreiben, 
rechnen, zeichnen und malen lernen. Es war aber gleich etwas Besonderes mit dem 
Knaben. Er machte seine Schularbeiten nicht nur, um sie gemacht zu haben, wie 
so Viele thun, ans denen weiter nichts als etwas Mittelmäßiges werden wird, son¬ 
dern was unser Christoph angriff, darin wollte erö znr Vollkommenheit bringen. 
Er schrieb eine so schone Hand, als wenn er zeitlebens gar nichts anderes als ein 
Schreibmeister hätte werden sollen; und im Zeichnen erwarb er sich eine solche Fer¬ 
tigkeit, daß er nur schon dadurch allein jederzeit hätte sein Brod verdienen können. 
Die Eltern aber dachten: konnte er das lernen, so kann er auch noch mehr lernen, 
und wer weiß? — und schickten ihn darum für einige Zeit ans die hohe Schule zu 
Pavia. Hier lernte er tüchtig Latein, und trieb besonders alle die Wissenschaften, 
die einem künftigen Seemann nützlich sind, als Geometrie (Größenlehre), Erdbeschrei« 
bung, Astrologie (wie man damals für Astronomie oder Sternkunde sagte) und 
Schiffsahrtsknnde. Denn schon in seiner frühesten Kindheit hatte er, wenn er im 
Hafen von Genna die Schiffe ankommen und abfahren sah, einen großen Trieb zum 
Secleben in sich verspürt und bei sich selber gedacht, er würde zeitlebens ein glücklicher 
Mensch sein, wenn er nur einmal auch in das weite Meer hinaus fahren und 
neue, seltsame Länder aufsuchen könnte. Dieser Trieb stund, je größer er ward, 
desto fester in seinem Herzen, und in seinen spätern Lebensjahren noch, wenn er an 
die großen Dinge, die durch ihn herbeigeführt worden, gedachte, so dachte er auch 
mit einem feierlichen Gefühl an diesen Trieb seiner Kindheit zurück und konnte nicht 
anders glauben, als daß ihn Gott selber in seine Seele gelegt habe. 
Mit dem vierzehnten Jahr ging der junge Colnmbns znr See, und übte 
seine Tüchtigkeit nnd stählte seine Gegenwart des Geistes in tausend kriegerischen 
Abenteuern, wie sie in jenen Zeiten auf den Gewässern des mittelländischen Meers 
fast unausgesetzt vorkamen. 
Damals dachte man nun gerade viel darüber nach, auf welchem Wege man 
am beqlicmsten, sichersten und schnellsten nach dem schönen Lande Ostindien im süd¬ 
östlichen Asien kommen könnte, wo der Pfeffer wächst, Reis, Zimmt und das Zucker¬ 
rohr, einem Lande reich au Gold und Edelsteinen. Colnmbns dachte auch darüber 
nach nnd meinte: „Ostindien liegt weit, weit gegen Osten. Da nun die Erde eine 
Kugel ist, so muß man ja auch dahiil können, wenn man immer nach Westen fährt!" 
So meinte Colnmbns, und er wäre um sein Leben gern einmal nach Westen ge¬ 
fahren; aber — er hatte keine Schiffe. Er theilte daher den Nathsherren seiner 
Vaterstadt Genna seine Meinung und seinen Wunsch mit; aber die dachten: „Cv- 
Inmbns ist ein Narr!" nnd gaben ihm keine Schiffe. Schon vorher hatte er im 
Königreich Portugal darum gebeten, aber vergebens. Nun ging er nach Spanien, 
wo König Ferdinand gerade daran war, alle Muhammedaner oder Mauren ans sei¬ 
nem Lande zu jagen. Anfangs hörte man auch nicht ans ihn. „Du Thor", sag¬ 
ten die Mönche, „wenn du nach Westen segelst, gehts ja immer bcrgnntcr, weil die 
Erde eine Kugel ist, wie willst du denn wieder zurückkehren nnd den Wastcrberg 
hinanfschiffen können?" Königin Jsabclla war aber verständiger. Als Colnmbns
	        
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