Full text: Lesebuch für die evangelischen Volksschulen Württembergs

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und hatte vor diesem Tag elf tausend Häuser, welche von vier¬ 
zig tausend Menschen bewohnt waren, und war nach Amsterdam 
wohl die grösste Stadt im ganzen Königreich. Man stand an 
diesem Morgen noch auf, wie alle Tage; der eine betete sein: 
„das walt Gott", der andere liess es sein, und Niemand dachte 
dran, wie es am Abend aussehen wird, obgleich ein Schilf mit 
siebenzig Fässern voll Pulver in der Stadt war. Man ass zu 
Mittag und liess sichs schmecken wie alle Tage, obgleich das 
Schilf noch immer da war. Aber als Nachmittags der Zeiger 
auf dem grossen Thurm auf halb fünf stand — fleissige Leute 
sassen daheim und arbeiteten, fromme Mütter wiegten ihre Klei¬ 
nen, Kaufleute gingen ihren Geschäften nach, Kinder waren bei¬ 
sammen in der Abendschule, müssige Leute hatten lange Weile 
und sassen im Wirthshaus beim Kartenspiel und Weinkrug, ein 
Bekümmerter sorgte für den andern Morgen, was er essen, was 
er trinken, womit er sich kleiden werde, und ein Dieb steckte 
vielleicht gerade einen falschen Schlüssel in eine fremde Thüre, 
— und plötzlich geschah ein Knall. Das Schilf mit seinen sie¬ 
benzig Fässern Pulver bekam Feuer, sprang in die Luft, und 
in einem Augenblick (ihr könnts nicht so geschwind lesen, als 
es geschah), in einem Augenblick waren ganze lange Gassen voll 
Häuser mit Allem, was darin wohnte und lebte, zerschmettert 
und in einen Steinhaufen zusammengestürzt oder entsetzlich be¬ 
schädigt. Viele hundert Menschen wurden lebendig und todt 
unter diesen Trümmern begraben oder schwer verwundet. Drei 
Schulhäuser gingen mit allen Kindern, die darin waren, zu 
Grunde, Menschen und Thiere, welche in der Nähe des Un¬ 
glücks auf der Strasse waren, wurden von der Gewalt des Pul¬ 
vers in die Luft geschleudert und kamen in einem kläglichen 
Zustand wieder auf die Erde. Zum Unglück brach auch noch 
eine Feuersbrunst aus, die bald an allen Orten wüthete, und 
konnte fast nimmer gelöscht werden, weil viele Vorrathshäuser 
voll Oel und Thran mit ergriffen wurden. Acht hundert der 
schönsten Häuser stürzten ein oder mussten niedergerissen wer¬ 
den. Da sah man denn auch, wie es am Abend leicht anders 
werden kann, als es am frühen Morgen war, nicht nur mit 
einem schwachen Menschen, sondern auch mit einer schönen 
und volkreichen Stadt. Der König von Holland setzte sogleich 
ein namhaftes Geschenk auf jeden Menschen, der noch lebendig
	        
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