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tätisch, sein ganzes Thun still, feierlich, abgemessen, steif. Sein Flug
ist schön, gewöhnlich langsam, feierlich, und nur dann rasch, wenn
er ein besonderes Ziel verfolgt. Es ist, als ob er durch die Lüfte
schwimme. Immer putzen sie sich, als große Freunde der Reinlichkeit,
was um so nöthiger ist, weil sich an ihrem weißen Kleid alle Un¬
reinlichkeit um so widriger herausstellt.
Mann und Weib brüten gemeinschaftlich; immer bleibt eins zu
Hause, entweder bei den Jungen, oder wenn sie noch keine haben,
das Haus zu bewachen. Ihr scharfes Auge beherrscht die ganze
Gegend. Keiner erlaubt einem andern, sich in derselben ebenfalls
häuslich niederzulassen. Würmer, Insekten, Schnecken, Blindschleichen,
Mäuse, Fische frißt er sehr gern, Heuschrecken und Bienen sind ihm
nicht unangenehm, aber am liebsten sind ihm doch die Frösche. Diese
sticht er zuerst mit seinem Schnabel durch, wenigstens macht er sie
durch Hineinstoßen in sie zur Flucht untüchtig, denn durch ihre Per¬
gamenthaut zu stechen, ist ihm fast unmöglich; junge Bögel will er
auch. Oft klappern Mann und Weib und Junge, plaudern und
unterhalten sich mit einander, besonders klappern letztere, wenn ihnen
Nahrung gebracht wird.
Drei Dinge von ihnen sind mehr und minder wunderbar: ihre
Kriege, ihre Gerichte, ihre verständige Art.
Alle Störche einer großen, weiten Gegend, z. B. des Rhein¬
thals im Canton St. Gallen, und die über dem Rhein oder in dem
gegenüberliegenden Vorarlberg, erheben sich etwa einmal gegen ein¬
ander zu einem blutigen Krieg, der sich nur mit dem Tod oder mit
dem Abzug der einen oder andern aus der Gegend endigt. Eine
Partie muß das Feld räumen. Wahrscheinlich entsteht der Krieg
wegen der Nahrung, die sie einander verkümmern. Dann wird die
ganze Gegend unruhig, und Alles geräth in Aufruhr. Sie halten
aus beiden Seiten des Rheins auf Feldern großen Rath. Es muß
ein Aufgebot ergangen sein. Sie plaudern viel mit einander, ver¬
stehen einander. Einige reden besonders viel; es sind die ältesten,
die jungen schweigen. Der Krieg wird beschlossen. Die Vorarlber¬
ger in größerer Zahl erheben sich, fahren über den Rhein durch die
Lust einher und wollen die diesseitigen angreifen. Diese haben den
Angriff erwartet, erheben sich nun auch und fliegen ihnen entgegen.
Der Kampf wird in hoher Luft geführt. Die Waffe ist der Schna¬
bel. Sie stechen fürchterlich auf einander los. Blutig und zerstochen
-ergreifen die Schweizer die Flucht. Die Vorarlberger sind vollkom-