Full text: Naturkunde, Erdkunde, Geschichte, deutsche Sprachlehre, Münz-, Maß- und Gewichtkunde (Theil 2)

der Deutschen. 
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rtungen zurückzunehmen. Aber das Duldungsgesetz und die Aufhebung der 
Leibeigenschaft widerrief er nie. Friedrich der Große gab ihm das rühmliche 
Zeugniß: „Er ist au einem betfüchtigeu Hofe geboren und hat den Aber¬ 
glauben abgeworfen, im Prunk erzogen und hat einfache Sitten angenom¬ 
men, mit Weihrauch genährt und ist bescheiden." Auf seinem ehernen 
Standbild in Wien stehen in lateinischer Sprache die wahren Worte: „Jo- ~ 
seph dem Zweiten, der dem öffentlichen Wohle nicht lange, aber ganz lebte." 
Sein friedlicher Nachfolger Leopold II. hob seines Bruders Reformen alle 1790 
auf und stellte das gute Vernehmen mit Belgien, Ungarn und der Türkei “ 
wieder her. 
§. 39. Die französische Revolution. Langjährige Verschwen¬ 
dung am sittenlosen Hose zu Paris und schlechte Verwaltung des Staats¬ 
vermögens versetzten den gutherzigen, aber schwachen König Ludwig XVI. 
in solche Geldverlegenheit, daß er zur Abhilfe dieses Notstandes und eini¬ 
ger anderen Gebrechen die Stände des Reichs zu einer großen Versamm- 1789 
lung nach Versailles berief. Von den 1200 Abgeordneten gehörten die 
Hälfte dem dritten oder Bürgerstande an. Als der hohe Adel und die hohe 
Geistlichkeit mit diesem dritten Stande nicht gemeinsam berathen wollten, 
erklärte sich dieser sammt dem sich anschließenden Landadel und der niederen 
Geistlichkeit als Nationalversammlung, und die Revolution war eröff¬ 
net. Sie hob anfangs nur die Ungleichheiten in der Besteuerung und vor 
Gericht, überhaupt die drückenden Vorrechte des Adels und der hohen Geist¬ 
lichkeit auf und war keineswegs gegen den Thron gerichtet. Aber die 
Schwäche des Königs, die Verderbtheit des Hofs und die Schlechtigkeit des 
Pariser Pöbels haben grässliche Folgen hervorgerufen. Man ließ anfangs 
kein gütliches Mittel unversucht, um die vornehmen Herrn zur Billigkeit 
und größeren Gleichstellung zu bewegen. Erst ihre stolze Erwiederung reizte 
zur Gewalt. Das Volk wurde täglich vermessener, achtete bald kein Recht 
und Gesetz mehr und durchlief alle Stufen der Verruchtheit bis zum Kö¬ 
nigsmord. 
Noch ehe dieses Verbrechen begangen war, hatten der deutsche Kaiser 
Franz II. undFriedrich'sdes Großen Nachfolger, Friedrich WilhelmII., 
ein Schutzbündniß gegen Frankreich geschlossen und die Franzosen, das 
drohende Ungewitter voraussehend, ihnen den Krieg erklärt. Ein preußisches 
Heer besetzte die Champagne. Das Manifest ihres Führers, des Herzogs 1792 
von Braunschweig, war von einem der an den Rhein geflüchteten franzö¬ 
sischen Prinzen abgefasst und drohte, Paris einzuäschern und die französische 
Nation zu vernichten, wofern sie nicht zum alten Gehorsam zurückkehrte. 
Dies weckte die Nation wie mit einem Zauberschlag. Jung und Alt drängte 
sich zu dem Heere, mit welchem Dumouriez die Preußen zu einem durch 
Mangel, Herbstnässe und Krankheit verderblichen Rückzug nötigte und 
die Oestreichs bei Jemappes schlug. Die Franzosen wurden Herren der 
Niederlande und des Oberrheins, verhöhnten Karl's des Großen Bild in 
Aachen, entrissen denOestreichern Speier, gewannen Main^ durch Verrath 
der für die französischen Freiheitsideen schwärmenden Professoren und brand¬ 
schatzten Frankfurt. Inzwischen vergaß die von Freiheits- und Siegeslust
	        
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