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Geschichte
trunkene Nationalversammlung alle Mäßigung. Nicht nur war der Adel
und seine Vorrechte aufgehoben und Frankreich in eine republikanische Mo¬
narchie verwandelt worden, sondern es blutete auch wer die Revolution nicht
- fördern zu wollen schien unter der Guillotine, und selbst des Königs gehei-
1793 ligtes Haupt (und später das seiner Gemalin und Schwester) fiel unter
dem Beile. Man machte ihm seine Verbindung mit den französischen Aus¬
gewanderten (Emigrss) und seine schon angetretene, aber vom Volk verei¬
telte Flucht zum Verbrechen. In Wahrheit aber starb Ludwig XVI. aus
dem Schaffet, weil die leidenschaftlichen Häupter der Nationalversammlung
oder des Convents unter dem Namen freier Bürger eine zügellose Gewalt¬
herrschaft ausüben wollten.
Die Entsetzlichsten dieser königsmörderischen Versammlung waren die
Jakobiner, die nicht umsnnst eine blutrothe Mütze trugen. An ihrer
Spitze stand der furchtbare Robespierre, der es sich zum Ziele setzte, die
französische Republik durch Schrecken gegen die Angriffe von innen und
außen zu sichern. Alle Scheu vor dem Heiligen ging unter, das Christen¬
thum wurde abgeschafft, der Vernunft ein Tempel gegründet und der fran¬
zösische Boden von dem Blut der Guillotinirten geröthet. Vom 14. Juni
bis 28. Juli 1794 wurden allein in Paris 1284, also jeden Tag 28—29
Menschen öffentlich hingerichtet. Während Robespierre die inneren Feinde
verfolgte, schuf Carnot (einer der Wenigen, die nicht von leidenschaftlicher
Selbstsucht, sondern von Vaterlandsliebe erfüllt waren) ganz Frankreich
in ein Kriegslager um. Zahlreiche Heere werden durch glücklich erregte
Freiheits- und Ehrliebe, die Aussicht auf Reichthum und Marschallstab und
durch Nationalgesänge, namentlich den Marseillermarsch, begeistert. Ver¬
geblich landen Engländer in Toulon, dringen Spanier und Portugiesen von
den Pyrenäen, Italiener von den Alpen, Oestreicher, Preußen, die deutsche
Reichsarmee und Holländer vom Rhein heran, vergeblich erheben sich
Schweden und Russen im Hintergründe, vergeblich streiten die Bewohner
der Vends beharrlich für Gott und König, der Enthusiasmus der Repu¬
blikaner überwindet alle Feinde. Aber auch Robespierre hatte sich sein
Grab gegraben. Er wurde mit etwa 100 seiner verruchten Genossen, nach
1794 rasendem Tumult in dem zwieträchtigen Convente, selbst zum Blutgerüste
geschleppt.
1795 Seiner Schreckensregierung folgte eine mildere unter 5 Direktoren.
Diese konnten den Krieg gegen England, Oestreich und Süddeutschland
um so nachdrücklicher führen, weil alle anderen Staaten, selbst Preußen
(das seine überrheinischen Länder im Frieden zu Basel an die Republik
abtrat) die rühmlos geführten Waffen niederlegten. Ein französisches Heer
1796 unter Jourdan dringt bis Regensburg, ein zweites unter Moreau über-
fchwemmt.Schwaben und Bayern, ein drittes unter Bonaparte rückt durch
das unterworfene Italien bis Trident vor. Schon fürchtete man für Wien,
schon erkauften Württemberg, Baden und die schwäbischen Stände mit un¬
geheuren Summen Waffenstillstand und die Erlaubniß, Friedensgesandte
nach Paris senden zu dürfen, schon schloß Sachsen einen Neutralitätsver¬
trag, als der 24jährige Erzherzog Karl von Oestreich den Marschall