Full text: Naturkunde, Erdkunde, Geschichte, deutsche Sprachlehre, Münz-, Maß- und Gewichtkunde (Theil 2)

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G eschichte 
der Landsturm; waren die Feinde abgewehrt, dann hielt es schwer, nur die 
Gränzposten zu besetzen. Das tapfere Tyrolervolk hat nur zum Felddienst 
Hang, wenn es das Vaterland gilt, das friedliche Soldatenleben ist ihm 
zuwider. 
Ein mörderischer Kampf schloß sich an den andern; auf der einen Seite 
fochten tapfere, trefflich geübte und bewehrte Soldaten für ihre soldatische 
Ehre und den Ruhm ihrer Führer, auf der andern Seite verwegene Schü¬ 
tzen, gewandte Kletterer, starke Bergbewohner zum Schutz ihres Glaubens 
und ihres Herdes und aus Ingrimm über erlittene Misshandlung. Sie 
benutzten alle Schrecken ihrer Natur und setzten kühn ihr eigenes Leben ein. 
f 2—6. Da musste Lefebvre endlich mit schwerem Verlust das Land räumen. Die 
August Sachsen hatten sich auf dem Brenner verzweifelt geschlagen; von denFran- 
zosen als Bahnbrecher vorgeschoben und dann im Stich gelassen, stürzten 
Tausende von ihnen nieder im wilden Eisackthale, in der noch jetzt sogenann¬ 
ten Sachsenklemme, oder geriethen in Gefangenschaft. Der Marschall schalt 
sie darum, griff selbst an, aber sein Gefolge wurde durch die mit Gemsen¬ 
schnelligkeit einspringenden Tyroler von den Pferden gerissen, mit Kolben 
todt geschlagen oder zu schneller Flucht genötigt. Er selbst entkam nur mit 
Verlust seines Federhuts und Mantels zurück nach Sterzing. Der Kapu¬ 
ziner las gewöhnlich seinen Leuten erst unter freiem Himmel die Messe, er¬ 
theilte allen Herumknieenden Schützen Absolution und den geistlichen Segen 
und stürzte dann selbst mit verwegenem Mute auf die Feinde. Sein Wort 
und seine That wirkte Wunder. Ein 80jähriger Greis hatte von einem 
-über dem tiefen Flussbette hinlaufenden Fußpfad schon viele Feinde nieder¬ 
geschossen. Da überrascht ihn ein sächsischer Soldat von hinten, er aber 
wirft seinen Stutzen weg, packt seinen Gegner und stürzt sich unter dem 
Ruf: Juchhe, in Gott's Namen! mit seinem Feind in die Fluten der Eisack. 
Ein Passeyrer erbeutete eine 3pfündige Kanone und trug sie auf den Schul¬ 
tern über den Berg; ihre Verwundeten schleppten sie ins Sichere, selbst ver¬ 
wundete Feinde wurden nicht selten von den Tyrolern mitleidig in ihre 
Dörfer getragen. Speckbaeber war in jenen 8tägigen Kämpfen größer als 
je. Als könnte er sich vervielfältigen, war er überall ordnend, ermahnend, 
voranstürmend, der erste beim Angriff, der letzte beim Rückzug; mit seinen 
verwegenen Schützen verschwand er hier, um gespenstisch dort wieder auf¬ 
zutauchen. Unaufhörlich verfolgt, von allen Seiten, von den Höhen und 
aus den Wäldern beschossen, langten die 3 Heeresabtheilungen todmüd und 
i i.Aug. geängstet vor Hall und Innsbruck an. Aber von Sterzing bis zum Jsel 
war die Straße von Leichen, umgestürzten Wägen und verlornen Waffen 
an einigen Stellen wie besät. Der Herzog selbst hatte seine Marscballs- 
Uniform verhüllt, um den besonders auf die Officiere gerichteten Kernschüs¬ 
sen der Tyroler zu entgehn. In dem Mantel eines Gemeinen ritt er schwer¬ 
betrübt zwischen 2 stämmigen Reitern, deren Rosse und Körper ihn wie ein 
r3.Aug.wandernder Kugelfang decken sollten. Eine 2te Schlacht auf dem Jsel, in 
der 20,000 Mann geschulter Kerntruppen gegen 16,000 Bauern fochten, 
benahm dem Marschall die letzte Hoffnung, Etwas auszurichten. Von 
Speckbacher und Haspinger verfolgt, zog er beschimpft über die Gränze,
	        
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