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Als nun die Kinder in den Wald gingen und vor Kälte
zu laufen anfingen, da begegnete ihnen der Wind. Zu dem
sprach das Mädchen: „Geschwind, lieber Wind, brich uns
ohne Säumen dürre Aeste von den Bäumen, daß wir recht
bald fertig sind.“
Da hielt der Wind ein wenig still und sprach den
Kindern: „Ich will! Ich will an den Bäumen rütteln und
dürres Holz herabschütteln, wenn ihr mich mitnehmt in euer
3 Es ist so kalt da heraus; ich möchte, statt herumzu—
chwärmen, mich einmal gern am Ofen wärmen.“ Da dachten
die Kinder: „Das ist nicht schlecht!“ und sprachen zum Winde:
„Es ist uns recht!“
Darauf fuhr der Wind ohne Säumen rings umher in
allen Bäumen. Und wie er sie rüttelte und dürres Holz her—
abschüttelte, sammelten es die Kinder im Flug und hatten bald
mehr als genug.
Jetßt eilten sie heim im schnellen Schritt, und der Wind
eben so geschwind, folgte ihnen auf jedem Tritt. Das Schwe⸗
rtn ging voraus und trat zuerst in das Haus; dann kam
as Bübchen, huschte schnell in das Stübchen und schlug im
Nu die Thür hinter sich zu. Und der Wind? der war noch
drauß, und die Kinder lachten ihn aus; er ruln und winselte
an Fenster und Thüren; die Kinder ließen sich nicht davon
rühren. Sie riefen Geh nun wieben in den Wald, du
machst nur unser Stübchen kalt!“
Aber der Wind ward böse über das gebrochene Wort;
er zog um das Haus mit Getöse; er ging nicht fort; er
brummte, tobte und brüllte, weil das in sein Versprechen
nicht erfüllte; er seßte sich lauernd wach auf des Häuschens
Dach und blies oben hinein in den Schornstein. Die Kinder
legten Reiser an, aber sie wollten nicht flammen; sie bliesen
sich heiser dran beide zusammen; die Mutter andlch blies auch;
aber alles Blasen und Husten, alles Räuspern und Pusten
machte nur die Stube voll Rauch.
Da sprach die Mutter: Es ist nicht geheuer. Warum
brennt das Holz nicht? warum gibt's kein n Kinder,
sagt an, was habt ihr Unrechtes gethan?“ Da mußten die
Kinder gestehen, was draußen im Walde geschehen, was ¶
dem Winde versprochen, und wie sie ihr Wort gebrochen. Da