Full text: Lesebuch für die mittleren Klassen der Elementarschulen, sowie auch für die oberen Klassen ärmerer Volksschulen

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A444. Die zwei Diener. 
Es lebte einmal ein sehr reicher Herr, welcher zwei Die— 
ner hatte. Diese wetteiferten in der Liebe zu ihrem Herren 
und versicherten hoch und theuer, daß nichts sie vermögen 
könnte, ihrem slhrann Herren untreu zu werden. Der Herr 
wollte ihre Liebe und Treue auf die Puer stellen und sagte 
eines Tages zu ihnen: „Ich werde auf eine unbestimmte 
Zeit verressen; in meiner Abwesenheit sollet ihr fleißig auf 
meine Kostbarkeiten Acht haben. Ich gebe daher einem jeden 
von euch einen Theil meines Schatzes zur Bewahrung. Seid 
also wachsam und treu, und bei meiner Zurückkunft wird euch 
der gebührende Lohn zu Theil werden.“ 
Nach der Abreise des rn nahm sich jeder der zwei 
Diener ernstlich vor, jenen Theil des Schaßes, den ihm der 
Herr anvertrauet, und der in einem Kästchen verschlossen war, 
pflichtmäßig zu bewachen. Allein r Zeit, nachdem der 
Herr sich e kamen drei Feinde desselben den Die— 
nern und wollten diese zur Untreue ßesen ihren Gebieter ver— 
seiten. „Ei“, sprachen u „ihr werdel doch nicht so thöricht 
sein, die schöne Zeit eurer jehigen Freiheit ungenossen vorüber— 
zgehen zu lassen! Kommt mil uͤns, wir feiern heute ein Freu— 
3 und dabei könnt ihr euch nach Herzenslust ergöhen.“ 
Der Ungere Diener, leichtsinnig, ließ sich wirklich bereden und 
mit, nahm aber zur n ht das ihm anvertrauete Schah⸗ 
ha iit und hoffte zuversichtlich, er könne den Genuß der 
versprochenen Freuden ganz leicht mit der Bewachung der Kost— 
barkeiten sinn — Aunders aber dachte und handelte der 
ältere Diener; i weigerte sich standhaft mitzugehn und 
achtete nicht aller Spottreden; er blieb zu Hause und wachte 
getreu, während der jüngere in Lustbarkeilen schwelgte und 
voll guter Dinge war. — So ging es einige Zeit fort. 
Plötzlich aber, mitten in der Nacht, kam der Herr unver— 
muthet nach Hause. Er fand den älteren Diener sisin und 
wachsam, und erfreuete ihn dafür mit einer reichlichen Beloh— 
nung. Dann schickte er einen Gerichtsdiener fort, um den 
andern Diener von seinem Belustigungsorte abzuholen und 
ere Dieser war natürlich sehr überrascht über die 
fo baldige und unvermuthete Rückkunft seines Gebieters; schnell 
wollte er das ihm anvertrauete Schatzkästchen zu sich nehmen
	        
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