Full text: Für die Oberklassen (Theil 2)

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nun freilich nicht die Rechten; aber ausweichen konnte er 
nicht mehr, er musste ihnen Rede stehen. Der Wachtmeister 
fragte, wer er sei? — 
„Ich bin der Verwalter Seifert aus dem Dorfe da unten!“ 
war die Antwort. 
„Er lügt!“ rief einer aus dem Commando, „es ist sicher loin 
anderer, als der Grenzjäger Hermann! Ich habe mir den Patron 
früherhin einmal auf dem Jahrmärkte zeigen lassen, und müsste 
mich sehr irren, wenn es dieser nicht sein sollte!“ 
„Da wäre etwas zu machen, Herr Wachtmeister!“ rief ein 
anderer. 
Der Wachtmeister wurde dringender; Hermann aber schwor 
Stein und Bein, und zeigte einen erbrochenen Brief vor, der 
eine Getreidebestellung an den Verwalter Seifert enthielt. -— 
Durch dieses sichere Benehmen wurde der Wachtmeister zwei¬ 
felhaft, und wollte ihn schon wieder gehen lassen, denn er 
dachte: „Wen man gern haschen und hängen will, den glaubt 
man überall zu sehen.“ 
Doch da rief wieder einer aus dem Commando: „Halt! dort 
kommt unser Mann! ich kenne ihn, es ist der Taglöhner Wend- 
ler, den jener Bursche um Haus und Hof gebracht, und wegen 
einer Kleinigkeit aufs Zuchthaus verhelfen hat; von dem wer¬ 
den wir die sicherste Auskunft erhalten!“ und wirklich kam der 
arme Wendler mit einer Karre trocknen Holzes langsam den 
Weg daher gefahren. — 
Für Hermann war diess noch weniger der rechte Mann, und 
ihm ward zu Muthe, als stehe er hier auf dem Richtplatze, zu¬ 
mal er den Schleichweg und die Stelle hier wohl erkannte, an 
welcher er einst dem Wendler selbst die Lehre gegeben, man 
müsse seinen Nächsten nicht verläugnen. 
Der Wachtmeister rief den Tagelöhner herbei, und fragte 
ihn: „Ihr kennt doch wohl den Grenzjäger Hermann?“ 
„0 ja, den kenn’ ich sehr genau!“ war die Antwort. 
„Nun, so seht euch einmal diesen Menschen an! — Er will 
der Verwalter Seifert aus jenem Dorfe sein, wir aber halten ihn 
für den. Spion Hermann, der euch aufs Zuchthaus gebracht. 
Dir wisst doch auch, dass ein Preis von hundert Thalern auf 
ihn gesetzt ist, und ich bin erbötig, einen Vorschuss darauf zu 
machen.“ Mit diesen Worten zog der Wachtmeister einen 
schweren Beutel aus der Tasche, und liess das Silber darin 
anmuthig klingen. 
Der Wendler blieb die Antwort lange schuldig, und weil edle 
Rache süss ist, sagte er endlich: „Ja, ich kenne diesen Mann
	        
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