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Viertes Kap. Römische Geschichte.
§. 66. Die Schlachten bei Philippi. Upteegxrng der Republik.
Indessen hatten die Häupter der Verschworenen im Orient eine große
Macht gesammelt. Zwar der doppelzüngige Dolabella war nach
Asien zur Besiznahme der ihm widerrechtlich ertheilten Provinz ge¬
eilt. Durch schändliche Hinterlist hatte er Smyrna und darin den un¬
glücklichen Trebonius in seine Gewalt bekommen. Nach zweitägiger
Folter wurde diesem konsularen das Haupt abgeschlagen, auf einen
Speer gesteckt und der Körper ins Meer geworfen. Aber Cassius
rächte ihn. Vergebens stürmte Dolabella Antiochien. Nach mehreren
Niederlagen wurde er in Laodicea eingeschlossen, und tödtcte sich. Doch
vergriff der besser denkende Cassius sich an seiner Leiche nicht. Bald war
Syrien, Kleinasien, der ganze Orient für die Freiheit gewonnen. Kleo-
patra, die Freundin der Triumvirn, wurde geschreckt; Macedonien,
Griechenland durch Brutus behauptet. Antonius Bruder, Casus,
hatte hier Dolabella's Rolle gespielt, nach wechselndem Kampfe fiel
er in Brutus Gewalt, wurde schonend behandelt, beging Verrath,
und fand abermals Gnade. Hier und in vielen Fällen zeigte sich
auf rührende Weise das weiche Gemüth des nur äußerlich strengen
Brutus. Unablässig bemüht, die Leiden des Krieges zu mildern, ver¬
schmähte er harte Maßregeln, selbst wenn die gerechteste Rache und
auch die Klugheit sie zu heischen schienen. Während Cassius die Mittel
des Krieges in reicher Fülle aus den Provinzen zog, blieb Brutus, der
alle Erpressung scheute, arm und bei allen Siegen in Bedrängnis. Als
die Einwohner von Xanthus, das er belagerte, von jener Wuth ge¬
trieben, welche nur in Bürgerkriegen herrscht, ihre Stadt in Brand
steckten, und sich unter einander mit Weib und Kindern tödteten, bat
Brutus, von außen herum reitend, mit ausgebreitetcn Armen und unter
häufigen Thränen die Lanthier, ihrer Selbst zu schonen, und ließ durch
Herolde großen Lohn jedem seiner Soldaten verheißen, der einen Feind
erretten würde!
In den Feldern von Philippi, in Macedonien, wurde zum lezten-
mal um die Freiheit gestritten (3942. 41 v. Chr.). Hier hatten sich
bei Annäherung der Triumvirn Brutus und Cassius gelagert.
Schon war in Afrika Cornificius der Macht der Tyrannen er¬
legen. Dennoch und nach ungeheurer Anstrengung aller Hilfsmittel der
Gewalt und des Raubes schienen die Triumvirn schwächer, als die Freunde
der Freiheit. In einer ersten Schlacht drang Brutus siegreich in
Octavian's Lager. Aber auf dem anderen Flügel wurde Cassius ge¬
schlagen, und tödtete sich in voreiliger Verzweiflung. Auch in der zwei¬
ten Schlacht errang Brutus Vortheile gegen Octavian's Truppen; allein
der Ruin des Flügels, wetcher^gegen Antonius stand, zog auch den