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dienen dem Bewohner der Küste Malabar zum Schreiben; der 
Cingalese gebraucht sein großes. Talipotblatt als Tisch- und 
Handtuch, und unser Landmann holt im Herbste das dürre Laub 
aus dem Walde zur Streu für sein Vieh. Jedoch auch ohne 
diese Rücksicht auf körperliche Benutzung ist das Laub eines der 
lieblichsten und merkwürdigsten Naturerzeugnisse. Im Einzelnen 
betrachtet, setzt es den Beobachter in Erstaunen durch seine höchst 
verschiedenartige Gestalt und Farbe, durch seinen künstlichen Bau 
und seinen manchfaltigen Geruch. In ganzen Massen genom¬ 
men erscheint es uns als die alleranmuthigste Zierde, welche der 
Schöpfer der Oberfläche der Erde geben konnte. Das frisch ent¬ 
sprossene Grün des Frühlings, das Wiese, Acker und Wald un¬ 
ter dem blauen Himmel bedeckt, im Scheine der Sonne, in der 
reichsten Abstufung vom hellsten Licht bis zum dunkelsten Schat¬ 
ten gesehen, läßt wohl selten einen Menschen ganz kalt. Und 
besonders die Laubhallen des Waldes mit ihrer grünen Däm¬ 
merung, ihrer Kühlung, ihrem Dufte, ihrem lieblichen Säuseln! 
— Nein, wir Menschen können Gott nicht genug für diese herr¬ 
liche Gabe danken! 
18S. Der Nadelwald. 
Mit der Schönheit des Laubwaldes kann sich der Nadelwald zwar 
nicht messen, und muß in der Frühlings- und Sommerzeit diesem den 
Vorzug lassen; aber er hat auch sein Schönes, worin ihm jener nicht 
beikommt Jahr aus, Jahr ein trägt er durch alle Monate dieselbe 
Farbe und bleibt sich gleich, wie ein treuer Freund, mag die Erde 
sich auch ringsum verändern. Und wenn der Schnee alles Grün be¬ 
gräbt, so widersteht ihm der Nadelforst und rettet unter Sturm und 
Gestöber die Farbe des Pflanzenreiches. Wie im Wetter der Schlacht 
der brave Fahnenträger nicht weicht, so hält auch er das grüne Banner 
den andringenden dunkeln Schneewolken kühn entgegen und verleugnet 
sein Abzeichen nicht, dem Winter zum Trotz und gleichsam der Pflan¬ 
zenwelt zur Ermunterung. Wohl gereicht ihm diese Beständigkeit zum 
Verderben; die Schneemassen lagern sich auf seine Gezweige; unter 
ihrer Schwere krachen die Aeste und mancher Baum steht verstümmelt 
unter den verschont gebliebenen Bäumen da, wenn der wiederkehrende 
Frühling unter dem Jubelruf der Sänger im Feld und Wald seinen 
Einzug hält, der Winter aber das Feld geräumt hat und nur noch 
die Bergesspitzen besetzt hält. So erscheint auch der tapfere, aber 
verwundete Krieger neben seinen Kameraden, an welchen die feindliche 
Kugel glücklich vorüberflog, wenn nach der gewonnenen Schlacht der 
lustige Siegesmarsch erklingt, und der fliehende Feind aus der Ferne 
noch vergebens seine Geschütze donnern läßt. — Wer unter allen 
Bäumen bewahrt dem heiligen Weihnachtsfeste den grünen Strauß,
	        
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