6 
sprach er mit lauter Stimme: „Meer! ich gebiete dir, daß du 
mir nicht zu nahe kömmst und mich netzest mit deinen Wellen!" 
Da aber nalürlich die Meereswellen seiner Befehle nicht achteten 
und nickt zurückwichen, wandte er sich an seine Begleiter und 
sagte: „Ihr Schmeichler! seht hier euern mächtigen König, der 
über Länder und Meere zu gebieten hat und durch sein Gebot 
nicht einmal eine Hand voll Wasser, von sich abhalten kann. 
Niemand ist mächtig, als Golt allein, und Niemanden gebühret 
die Ehre, mächtig genannt zu werden, außer dem, der alle Dinge 
erschaffen hat und erhält." 
10. Und dann? 
Zu dem heiligen Philippus Neri kam einst ein Jüngling 
und erzählte ihm mit großer Freude, daß seine Eltern ihm auf 
vieles Bitten endlich erlaubt hätten, die Nechtsgelehrsawkeit zu 
studiren, und daß er keine Mühe scheuen wolle, die Studien 
recht bald und gut zu vollenden. Der heilige Philippus machte 
nicht gern viel Geschwätz, und was man mit drei Worten sagen 
kann, das sagte er lieber mit anderthalb. Er hörte dem Jüng¬ 
ling ganz gelassen zu, und fragte zuletzt nur: 'Und dann? — 
Dann werde ich Advokat, erwiderte der fröhliche Student. 
Und dann? fragte der Heilige weiter. Dann, sagte der Jüng¬ 
ling, dann werde ich viele verwickelte Rechtshändel zu Ende 
führen und mir durch meine Kenntnisse und mernen Eifer schon 
Ruf und Ansehen zu verschaffen wissen; die Leute werden mir 
stark zulaufen, um mir ihre Prozesse zu übertragen. Und 
dann? fragte der Heilige wieder. Dann, fuhr der junge Mensch 
fort, dann werde ich mir ein hübsches Geld verdienen, ein 
schönes Haus an der Hauptstraße kaufen, Pferde und Kutsche 
anschaffen und ein vergnügtes, herrliches Leben führen. Frohen 
Muthes kann man unter solchen Umständen dem Alter entgegen 
gehen, und ich werde meine letzten Tage in Ehren und in 
Ruhe genießen, weil daun ja alle meine Wünsche erfüllt sind. 
Ganz ruhig fragte der alte Patriarch wi.eder: Und dann? Dann, 
sagte der Jüngling langsam, dann — dann — ja dann werde 
ich sterben. Der heilige Philippus aber erhob die Stimme und 
fragte noch einmal: Und dann? Der Jüngling antwortete hieraus 
nicht; er bedachte sich, und es stiegen ernste, dunkle Wolken 
auf in seiner Seele, Gedanken an Tod und Sarg und Grab, 
und an das große stille Meer hinter dem Grabe, an die Ewig¬ 
keit. Er begriff nunmehr die Absicht des Heiligen und beschloß, 
vor Allem für das Heil seiner unsterblichen Seele zu sorgen.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.