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dieses eine Schleuße sei, die man oben öffnete und die ein Rad 
in Bewegung setzte, durch das die Erzstücke aus den untersten 
Gruben heraufgefördert wurden. 
Uns zur Seite öffnete sich ein Abgrund. Wir konnten 
beim Schein des Grubenlichts nicht das ganze große Rad sehen, 
über welches _ das Wasser herabbrauste. Ich weiß nicht, ob 
dieses oder die großen Grotten, wo das Erz durch Feuer los¬ 
gearbeitet war, mir am meisten malerisch vorkam. Die rothen 
Flammen schlugen hoch in die Höhe und beleuchteten die schwar¬ 
zen Bergleute ringsum; ich lehnte mich an die Felswand und 
begann mich an die fremde Welt zu gewöhnen, die eben in ihrer 
ganzen Furchtbarkeit schön war. 
Es ist doch ein wunderbarer Gegensatz zwischen dem ab¬ 
wechselnden Leben des Seemanns und dem einförmigen des 
Bergmanns. Mit geschwellten Segeln fliegt jener von Küste zu 
Küste über das herrliche Meer; lustig wimmelt es in den frem¬ 
den Häfen von geschäftigen Menschen. Bald bläst ein Sturm, 
daß die Masten brechen und das Schiff von den starken Wellen 
wie ein Spielzeug umhergeworfen wird, bald ist es wieder todten- 
still und er ruht sich aus, hoch oben im Mastkorb und schaut hin¬ 
aus in den unbegrenzten Raum zwischen Meer und Himmel. Für 
den Bergmann hingegen gleitet ein Tag wie der andere dahin. 
Tief unten in dem schwarzen Schacht sitzt erbet seinem Gruben¬ 
licht und hämmert das Erz aus dem Berge heraus; still und 
finster, wie hier in seiner Heimath, wird es auch in seinem In¬ 
nern. Nur der Sonntag bringt einige Veränderung; da zieht 
er ein besseres Kleid an, geht in die Kirche und sieht die Sonne 
mild in diese und in sein Herz scheinen. Zuweilen kommt er 
auch Nachmittags nach Goslar hinein, hört die Zeitungsneuig¬ 
keiten und denkt darüber nach, wie wunderlich die Menschen dort 
in der Welt umherstürmen; er will vielleicht auch, wenn er noch 
jung ist, dort hinausfliegen und sich zwischen den Andern um¬ 
hertummeln — aber am Montag sitzt er doch wieder tief unten 
im Schacht bei seinem Grubenlicht und gebraucht den Hammer — 
und so geht es fort, bis eine fremde Hand den letzten Hammer¬ 
schlag auf seinen Sarg thut. 
Als wir aus dem Berg herausstiegen, schien die Sonne so 
schön über die jungen Fichten, auf denen Regentropfen lagen, 
wie Perlen auf den hellgrünen Knospen. Es war mir, als 
hätte ich nie etwas Freundlicheres gesehen, als diese von der 
Sonne beschienenen Bergwände und den klaren Himmel, so groß 
war der Uebergang von der schwarzen Grube zu der sonnen¬ 
hellen Natur.
	        
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