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Ben aus. Die Christengemeinde zu Jerusalem wanderte, gewarnt
durch einen Propheten, über den Jordan aus nach Pella; viele fried¬
lichen Einwohner flüchteten aus dem Lande. Der Statthalter von
Syrien Cestius Gallus erschien mit einem großen Heere vor Jeru¬
salem: er fand einen unerwarteten Widerstand, zog wieder ab, — aber
die Juden ihm nach, und vernichteten das ganze Römerheer. Nun
waren sie frei; alle streitbaren Männer mußten die Waffen ergreifen,
alle Städte wurden befestigt, insbesondere Jerusalem mit einer drei¬
fachen Mauer, die Freiheit zu schirmen. Denn sehon rückte (67),
vom Kaiser Nero gesandt, Vespasianus, ein ausgezeichneter Feld¬
herr, heran. Vor seiner Kriegskunst erlag die Tapferkeit der Juden,
fielen ihre Städte von Gadara, am See Genezareth, bis gen Jeru¬
salem, diesseits und jenseits des Jordans. Das ganze Land war eine
blutgetränkte Einöde. Und in Jerusalem floß das Vlut in Strömen;
denn da wütheten drei Parteien wider einander, die indeß zusammen¬
hielten gegen den gemeinsamen Feind. Als im Jahre 69 Vespasianus
von seinen Soldaten zum Kaiser erhoben wurde, übergab er seinem
Sohne, dem menschenfreundlichen Titus, den jüdischen Krieg. Titus
schritt zur Belagerung Jerusalems. Er bot den Belagerten Gnade
an; sie aber wollten siegen oder sterben. Eine schreckliche Hungersnoth,
die unter ihnen ausbrach (denn das Paffahfest hatte eine ungeheure
Menschenmenge in die Stadt gezogen), beugte sie nicht; glückliche Aus¬
fälle steigerten ihren Trotz. Endlich, nach 4 Monaten, nachdem Titus
schon mehrere wichtige Punkte erobert, oftmals in freundlich ernsten
Worten sie zur Übergabe ermahnt, ihnen unter dieser Bedingung Frie¬
den und Freiheit gelobt hatte, aber mit Hohn zurückgewiesen worden
-- war, befahl Titus den Sturm auf den Tempel, wo zusammenge¬
drängt war, was noch vom Volke übrig; aber des herrlichen Tempels
sollte geschont werden. Verzweifelt wehren sich die Juden. Da wirft
ein Soldat einen Feuerbrand in den Tempel. Bald steht das Heilig¬
thum in hellen Flammen. Vergebens sucht Titus, sie zu löschen.
Aber während es in Schutt und Asche fällt, hoffte der Juden Wahn¬
sinn noch auf die Erscheinung des Retters vom Himmel. Es war
am 10. August des Jahres 70 nach Chr., als Jerusalem mit seinem
Tempel unterging. Nur ein Stück von den Stadtmauern und drei
Thürme standen noch. l4/2 Millionen Juden sind während des Krie¬
ges umgekommen; 100,000 wurden in die Sklaverei fortgeschleppt.
So wurde das Wort erfüllt: „Sein Blut komme über uns und un¬
sere Kinder."
Von da an ist Israel ohne König, ohne Fürsten, ohne Opfer,
ohne Altar, ohne Leibrock, ohne Heiligthum, in alle Lande zerstreut,
und der Stein, den sie verworfen haben, ist vor ihren Augen zum
Eckstein eines unendlich größeren, erhabeneren, herrlichern Tempels
geworden, als je der ihrige war. Und dennoch bleibt Israel verstockt,
und will Den nicht erkennen, von welchem zeugen alle Propheten, den
König Jesus Christus, den Sanstmüthigen und Gerechten, in welchem