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Ebenen, welche von diesen Flüssen und vielen Bächen bewässert werden,
sind sehr fruchtbar. Aber so ist es nicht überall; denn die rauhe
oder schwäbische Alp, ein unfruchtbares Kalksteingebirge mit schroffen
Felsen und bedeutenden Höhlen, durchzieht das Ländchen.
Die Bewohner Würtembergs sind Schwaben, welche einst einen
Hauptstamm der deutschen Völker ausmachten. Sie sind treu,
herzlich, heiter, dabei fleißig und zu vielerlei Geschäften tüchtig. Auf
den 360 Quadratmeilen, welche das Land enthält, wohnen 1,800,000
Menschen, also auf einer Quadratmeile 5000. Da muß fleißig gear¬
beitet werden, wenn jeder sein Brod finden will. Das thun denn auch
die Würtemberger; viele aber wandern auch aus und suchen in der Ferne
eine neue Heimath, oder treiben auswärts Handel, wie die schwarz-
wälder Uhrmacher. Dabei behalten sie jedoch immer große An¬
hänglichkeit an ihre Heimath, und verlieren niemals ihre schwäbische
Mundart, welche zwar breit, aber zugleich sehr gutmüthig klingt.
Das Land ist mit kleinen Städten übersäet. Die Haupt- und
Residenzstadt heißt Stuttgart, in einem nach dem Neckar zu¬
gehenden Thale, welches mit Reben und Obstbäumen reich bepflanzt ist.
Ihre Einwohnerzahl ist auf 48,000 angewachsen, so daß man sie jetzt
zu den großen Städten zählen kann. Besonders bemerkenswerth für
jeden Deutschen ist das dem, in Würtemberg gebornen, großen Dichter
Schiller errichtete Denkmal. Er allein würde sein Vaterland allent¬
halben berühmt machen; darum wäre es undankbar gewesen, wenn man
sein Andenken in der Hauptstadt von Schwaben nicht geehrt hätte.
Außer Stuttgart sind noch bemerkenswerth: Tübingen am Neckar
in einer schönen fruchtbaren Gegend, eine Universitätsstadt mit
einem berühmten Seminar, dem sogenannten Stift, zur Ausbildung
evangelischer Geistlichen — und die Bundesfestung Ulm, mit einem
evangelischen Dom, einer der schönsten Kirchen m Deutschland. —
Durch ein wohlgeordnetes Schulwesen hat die würtembergische Re¬
gierung sehr viel zur Bildung des Volkes beigetragen, und eben
Würtemberg, das Schwabenland, ist es, welches dem deutschen
Volke viele berühmte Dichter, z. B. Friedrich v. Schiller, Ludwig
Uhland, Justinus Kerner, Gustav Schwab u. a. gegeben hat.
Neben der Anhänglichkeit an ihre Heimath zeichnen den schwäbischen
Volksstamm auch Anhänglichkeit und Treue gegen den Landesherrn und gegen
die Familie aus. So wird von den Frauen des Städtchens Weinsberg
folgendes berühmte Beispiel der Treue erzählt. Als nämlich der deutsche
Kaiser Konrad III. 1140 die Stadt, welche sich zu seinen Feinden
gehalten hatte, belagerte, wehrten sich die Bürger so verzweifelt, daß
er im Unwillen schwur, wenn er hineinkomme, werde er keinen, der
die Waffen geführt, verschonen. Der Hunger zwang endlich die Stadt,
sich zu ergeben, und kein Bitten und Flehen vermochte nun, den Kaiser
zur Gnade zu bewegen. Nur den Weibern, beladen mit ihren besten
Schätzen, wurde freier Abzug bewilligt. Als sich bald das Thor öffnet,
was zeigt sich den mordlustigen- Kriegern des Kaisers? Eine lange