Object: Die deutsche Urzeit (Teil 1)

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Grenzbesichtigung haben gar viele Gemeinden in Thüringen den Feld- 
geschworenen übertragen, andre haben wenigstens dann und wann einen Flur- 
zug abgehalten, so Jena 1890 und 1895. Über den Flurzug vom 17. Sep¬ 
tember 1890, der die Flurgrenze Jenas mit Löbstedt, Closewitz, Cospeda, 
Großschwabhausen, Remderode und Münchenrode besichtigte, heißt es in den 
„Akten der Gemeindebehörden zu Jena, die jährliche teilweise Begehung der 
Grenzen der hiesigen Flur betreffend: Heute wurde der beschlossene Flurzug 
ausgeführt. Früh 7 Uhr versammelte sich ein großer Teil der eingeladenen 
Herren (Gemeindevorstand, Gemeinderat, Feldgeschworene, der Lehrer der 
1. Knabenklasse der Bürgerschule mit etwa 30 Schülern usw.), zusammen etwa 
250 Personen, an der Gasanstalt und zog unter Vorantritt der Stadtkapelle 
nach Löbstedt zu. Infolge des prachtvollen Wetters herrschte gar bald eine 
fröhliche Stimmung. An Grenzstein Nr. 4. mit Löbstedt befanden sich die 
Vertreter von Löbstedt, Herr Bürgermeister F. und Herr Feldgeschworener G. 
Nach Begrüßung derselben durch Herrn Bürgermeister S. von Jena bewegte 
sich der Zug mit den Abgesandten der Gemeinde Löbstedt die Jena—Löbstedter 
Grenze entlang. An der Sachsenecke, zwischen Stein 1 und 2, beschloß man 
im Einverständnis mit den Vertretern von Löbstedt einen Durchhiebsweg durch 
das Holz herstellen zu lassen, und zwar so, daß von jeder Gemeinde 1 m weg^ 
genommen wird. Am Ende der Löbstedter Grenze wurden die Abgeordneten 
von Löbstedt gebeten, sich dem Zuge anzuschließen, und das geschah. Die Ge¬ 
meinde Closewitz, deren Grenze mit Jena nun begangen wurde, hatte trotz er¬ 
gangener Einladung leider feine Vertretung entsandt. Bei jedem Grenzstein 
wurde, wie schon vorher und auch spater, ein Tusch geblasen und je einem 
Schuljungen oder Erwachsenen eine Erinnerung an den betreffenden Grenzstein 
eingeprägt, nämlich so, daß man ihn über den Grenzstein legte und ihm dann 
aus den runden Körperteil einige saftige Hiebe auszählte. So wurde die 
Cospedaer Flurgrenze erreicht, wo als Vertreter der Gemeinde Herr Bürger¬ 
meister H. anwesend war und sich dem Flurzug anschloß. Bezüglich der Close- 
witzer und Cospedaer Grenze fand man, daß die Grenzsteine auf der Close- 
witzer und Cospedaer Seite keine Bezeichnung der Flur tragen, und es wurde 
Herr Bürgermeister H. gebeten, bezüglich der Cospedaer Grenze dafür zu 
sorgen, daß die Flurbezeichnung noch nachträglich in die Steine eingemeißelt 
werde. Herr H. sicherte die Erfüllung dieses Wunsches zu. Am Windknollen 
zeigte der Feldgeschworene Herr B. an der Hand einer Zeichnung, wo im 
Jahre 1808 die Halle gestanden hat, von der ans Napoleon I. seinen fürst¬ 
lichen Gästen das Schlachtfeld von Jena zeigte. Im Anschluß daran hielt 
Herr Bürgermeister S. eine Ansprache, in der er hervorhob, „daß der korsische 
Eroberer bei jener Zusammenkunft nur seiner Eitelkeit gefrönt habe", daß wir 
Deutschen alle Ursache hätten uns zn freuen, daß durch des Reiches Macht 
eine Wiederholung solcher Schmach ausgeschlossen sei. Er schloß seine patrio¬ 
tische Ansprache mit einem Hoch auf Kaiser und Reich, und alle stimmten be¬ 
geistert ein. Gegen x/410 Uhr wurde die Nasenkuppe erreicht und daselbst das 
Frühstück genossen, Bratwürste und städtisches Lagerbier, von der Stadt den 
Teilnehmern am Flurzug dargeboten. Nach etwa l1,^ stündiger Pause zog 
man die Cospedaer Grenze weiter. An der Großschwabhäuser Grenze traf 
man den Herrn Bürgermeister von Großschwabhausen und Herrn W. von 
Remderode. Herr Bürgermeister S. begrüßte dieselben und erneuerte bei dieser 
Gelegenheit die guten freundnachbarlichen Beziehungen. Bei dem Grenzstein 
Nr. 22 mit Großschwabhausen wurde durch die beiderseitigen Vertreter konstatiert.
	        
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