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Er hüpfte oder flog in unsrer Stube 
Den ganzen Tag umher, und zwitschernd schien 
Er nur um seine Freiheit uns zu bitten. 
Da sagte meiner kleinen Emma ich: 
Das Leben haben wir dem Thier gerettet, 
Doch, dürfen wir ihm nun die Freiheit nehmen? 
Und Emma nahm, mit Thränen in den Augen, 
Ihr Vöglein, und wir gingen in den Garten. 
Der Himmel war so blau, die Sonne schien, 
Die Bäume hingen lockend voll von Früchten, 
Die Beete dufteten in Blumenpracht. 
Das Vöglein sträubte sich in Emma's Hand; 
Sie sah es traurig lächelnd an und sagte: 
Der Undankbare wird uns schnell vergessen. 
Wir küßten Beide unsern lieben Pflegling, 
Dann öffnete Emma die kleine Hand, 
Und sah hinweg. Mit raschem Schwirren flog 
Der Stieglitz in den nächsten Baum; da sang er 
Ein fröhlich Lied, als freu' er sich der Freiheit; 
So schön es klang, zerriß es Emma's Herz. 
Sic hatte sich am Fuß des Baums gesetzt, 
Und sah betrübt zu seinem Wipfel auf; 
Nicht länger konnte sie den Schmerz bezwingen, 
Sic streckte beide Aermchen aus und rief: 
Mein Bräunchen, — Bräunchen nannte sie den Stieglitz. 
Als Bräunchen diese liebe Stimme hörte, 
Flog er sogleich von seinem Baum herab. 
Und setzte sich auf ihre weiße Schulter. 
O, wie war Emma doch so glücklich da, 
Wie koste sie mit ihrem kleinen Freunde, 
Der schmeichelnd sie mit seinem Schnäblein pickte. 
Sie lobte seiner Stimme süßen Klang, 
Und gleich, als wenn er es verstanden hätte, 
Ertönte laut und fröhlich sein Gesang. 
Noch flössen Thränen über ihre Wangen, 
Doch Bräunchen wehte mit den Flügeln sie 
Hinweg, und heller strahlten ihre Augen. 
Da siehst Du 's nun, so rief Emma fast stolz, 
Bräunchen wird mich nimmer doch verlassen!
	        
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