Object: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

95. Das Haus der Komnenen auf dem byzantinischen Throne. 475 
nothwendigen Folge haben würde, ließ die Warnung des Johannes Tyras 
nicht unbeachtet. Als er am Abend des angegebenen Tages mit einer be¬ 
waffneten Rotte in das Haus des Isaak Angelus trat und denselben auf¬ 
forderte, ihm zu folgen, konnte Isaak über das Schicksal, welches ihm 
bereitet werden sollte, nicht im Zweifel sein, und die Furcht vor dem bevor¬ 
stehenden Tode gab dem an sich nicht kräftigen Manne Muth und Ent¬ 
schlossenheit. Es gelang ihm, ein Pferd zu besteigen und in dem Kampfe, 
welcher zwischen ihm und dem blutdürstigen Stephanus entstand, seinen 
Feind zu todten und dessen Rotte in die Flucht zu treiben, worauf er in 
der Sophienkirche Schutz suchte. Schon auf dem Wege zur Kirche, als Isaak 
Angelus, sein Schwert zeigend, rief, daß er mit demselben an dem Mörder 
Stephanus das Blut vieler unschuldigen Schlachtopfer gerächt hätte, sammelte 
sich zu ihm eine große Menge Volkes, welches ihn nach der Kirche begleitete. 
Ein allgemeines Geschrei, welches durch die ganze Stadt sich verbreitete, be¬ 
grüßte den Isaak Angelus als Kaiser, und einer der Geistlichen setzte ihm 
die Krone Constantin's des Großen auf das Haupt. 
Andronikus, einsehend, daß es ihm unmöglich war, den verlorenen 
Thron wieder zu erkämpfen, entschloß sich, im Lande der Russen, welche ihm 
schon einmal gastfreundliche Ausnahme gewährt hatten, Schutz und Sicher- 
heit zu suchen, und mit wenigen Begleitern, welche ihm treu geblieben waren, 
zu Ehele in Bithynien sich einzuschiffen. Ein ungünstiger Wind aber hielt 
sein Fahrzeug so lange an der Küste zurück, bis die von Isaak Angelus 
ausgesandten Verfolger nach Ehele gelangten, den Andronikus ergriffen und 
gefesselt nach Eonstantinopel zurückbrachten. Er wurde in Gegenwart des 
Kaisers auf die schimpflichste Weise geschlagen, die Haare des Bartes und 
Hauptes und die Zähne ihm ausgeriffen, und vornehmlich die Weiber, deren 
Männer auf feinen Befehl gelobtet oder geblendet worden waren, beeiferten 
sich, durch Faustschläge an bem Greise ihre Rache zu üben; ettblich ließ 
Isaak Angelus ihm bie rechte Hanb abhauen unb ihn so verstümmelt in 
ein Gefängniß zurückführen, wo er Weber Speise unb Trank noch irgend 
eine anbere Pflege erhielt. Daburch war aber bie Rachsucht des Isaak An¬ 
gelus noch nicht befriedigt. Nach einigen Tagen wurde Andronikus aus 
feinem Gefängnisse wieder hervorgeholt und ein Auge ihm ausgestochen, er 
hierauf auf einem räudigen Kameel in ben Straßen ber Stabt zur Schau 
umhergeführt. Das gemeine Volk wetteiferte in Verhöhnung, Beschimpfung 
«unb grausamer Mißhanblung des Mannes, welcher noch vor wenigen Tagen 
auf dem höchsten Gipfel der Ehre stand. Endlich nahm man ihn auf der 
Rennbahn vom Kameete herab und hing ihn an den Beinen zwischen zwei 
durch einen Stein verbunbene Säulen au£. Nach einigen Tagen würbe ber 
verstümmelte Leichnam herabgenommen unb in ein Gewölbe ber Rennbahn 
geworfen unb von bort brachte man ihn späterhin, als bie Erbitterung bem 
Mitleiden gewichen war, in ein Begräbniß.
	        
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